Julia Extra Band 0258
sich ein Stück von dem Motorboot.
„Leo!“ Voller Angst schrie sie seinen Namen, doch die Motorengeräusche übertönten ihre Stimme.
Inzwischen waren alle drei Entführer wieder auf den Beinen. Einer von ihnen bedrohte Leo mit der Pistole und drängte ihn in Richtung Kabine. Plötzlich fiel ein Schuss. Sie sah, wie Leo zur Seite kippte. Weitere Schüsse fielen. Die Polizisten im Helikopter hatten auf den Mann mit der Pistole geschossen. Anna sah, wie der Mann taumelte und wandte den Blick ab, als noch mehr Schüsse ertönten.
„Leo“, stöhnte sie. „Oh Gott, Leo …“
Mit dem Gesicht nach unten lag Leo bewegungslos auf dem Deck. Sein Hemd war blutgetränkt.
Leo war tot. Er war gestorben, um sie zu retten.
Mitten in ihrer Trauer und ihrem Schmerz erklang die Stimme des Sicherheitsmannes neben ihr.
„Seine Hand! Ich glaube, seine Hand hat sich bewegt!“
10. KAPITEL
Nervös wie ein eingesperrtes Tier saß Anna in dem kühlen Wartezimmer. Trotz der Schmerztabletten taten ihre Arme und Schultern höllisch weh. Aber das Einzige, woran sie denken konnte, war Leo.
Sie sah auf die Uhr. Wie lange war er jetzt schon im Operationssaal? Sie wusste es nicht. Wusste nur, dass niemand ihr tröstende Worte sagen konnte.
Niemand sagte ihr, ob er leben würde.
Seit der Arzt sie behandelt hatte, hatte sie – außer zu warten – nur eine einzige Sache getan. Sie hatte Jenny in England angerufen und ihr befohlen, unterzutauchen, weil der Vater ihres Kindes auf der Suche nach ihr war.
Wieder sah sie auf die Uhr.
Endlich öffneten sich die Türen des Operationszimmers. Ein Arzt kam auf sie zu und streifte den Mundschutz ab. Seine Miene war ernst, dann lächelte er müde.
„Sie haben da einen sehr zähen Mann“, sagte er. „Ich habe ihn wieder zusammengeflickt. Seien Sie bei ihm, wenn er aufwacht. Für seine Heldentat verdient er es, als Erstes eine wunderschöne Frau zu sehen.“
Anna brach in Tränen aus.
Leo war so blass.
Nur das schwache Heben und Senken seiner Brust verriet ihr, dass er noch lebte.
Unendliche Dankbarkeit durchflutete sie.
Zitternd schob sie einen Stuhl neben das Bett und setzte sich. Zitternd griff sie nach seiner Hand, verschränkte ihre Finger mit den seinen und legte ihre tränennasse Wange darauf.
Wie lange sie so an seinem Bett saß, wusste sie nicht. Hin und wieder kam eine Krankenschwester, um nach ihm zu sehen. Die Nacht verstrich, die Morgendämmerung sandte die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster, und immer noch hielt sie seine Hand.
Als es hell wurde, kam eine Krankenschwester und brachte Anna Sandwiches und Kaffee.
„Sein Puls ist schon kräftiger“, sagte sie lächelnd. „Er wird bald aufwachen. Bleiben Sie bei ihm; er weiß, dass Sie da sind.“ Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer.
Fest hielt Anna seine Hand in ihrer.
Weiß er, dass ich hier bin? Und wenn ja, ist das gut oder
schlecht?
Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen.
Er hat mich gerettet. Er hat sein Leben für mich riskiert. Er denkt, ich habe ihn bestohlen, und trotzdem hat er mich gerettet. Nach allem, was ich ihm gesagt habe.
Ihr Herz schmerzte von all den Gefühlen, die sie durchströmten. Tränen nahmen ihr die Sicht, deshalb sah sie die winzige Bewegung seiner Hand auch nicht, sondern spürte nur ein leichtes Zucken seiner Finger. Hastig wischte sie sich mit der freien Hand über die Augen. Dieses Mal sah sie die Bewegung, sah, wie sich seine Augenlider hoben, sah, wie er einen Moment zur Decke starrte, bevor seine Augen klar wurden.
Er schaute sie an.
Mit leerem Blick. Ihr Herz zersprang in tausend Scherben.
Langsam zog sie ihre Hand zurück.
Aber Leo reagierte sofort und hielt ihre Hand fest in seiner. Er schloss die Augen.
„Anna“, murmelte er. Das Wort war ein Seufzen, schwach und leise.
Schlaf umfing ihn.
Aber um seine Mundwinkel sah Anna ein winziges Lächeln.
Zitternd saß sie an seinem Bett, starrte auf seinen schlafenden Körper und murmelte unablässig seinen Namen.
Niemals zuvor war ihr Herz voller gewesen.
Angefüllt mit Liebe für Leo Makarios.
Leo träumte. Natürlich war es ein Traum, denn Anna weinte. Sie weinte und sagte, dass es ihr Leid tat – so Leid, so unendlich Leid.
Also musste es ein Traum sein.
Er öffnete die Augen.
An seinem Bett saß Anna, ihr Gesicht ganz verquollen von Tränen, und sie sagte: „Es tut mir Leid, Leo. Alles ist nur meineSchuld.“
Dann sah sie, dass er die Augen geöffnet hatte und verstummte.
Ihr Mund zitterte,
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