JULIA EXTRA BAND 0261
wie es die ernste Situation erforderte, und schweigend danebengestanden, als Stacey Tina zur anschließenden Trauerfeier der Familie einlud.
Dass sie ablehnte, erstaunte ihn sehr. Unter den gegebenen Umständen hätte er erwartet, dass sie ihren Vorteil nutzen und die Beziehungen zur Leandros-Familie vertiefen würde.
Wenn er ehrlich war, wünschte er sich ein Wiedersehen unter weniger traurigen Vorzeichen. Tina strahlte etwas aus, das ihn magisch anzog. Ihre aufrechte Haltung ließ sie unnahbar wirken. Ihr fein modelliertes Gesicht trug klassische Züge, und der cremeweiße Teint war makellos. Ihre Augen erinnerten ihn an Smaragde – schimmernde grüne Tiefen, geheimnisvoll und unergründlich.
Unerreichbar, ermahnte er sich.
Sie war die „Frau“ seines Halbbruders. Die Mutter seines ungeborenen Babys.
Die Aussicht auf ein Enkelkind hatten Paul und Stacey mit Hoffnung erfüllt. Es existierte ein Kind ihres Kindes. Vasilis Erbe, der im Leandros-Clan seinen Platz beanspruchen konnte.
Natürlich hatten sie vermutet, dass Tina ihre Hilfe begrüßen und ihre Unterstützung annehmen würde. Ihre bedingungslose Zuneigung und Liebe.
Doch Tina Matheson hatte sie höflich zurückgewiesen. Nic wusste, was sie damit seiner Stiefmutter antat. Und nun war es an ihm, Tina umzustimmen. Koste es, was es wolle, hatte Paul ihm zu verstehen gegeben.
Geld. Fast alles und fast jeder lässt sich kaufen, dachte Nic zynisch. Es kommt nur auf die Summe an. Mit langen Schritten ging er am Sicherheitsdienst vorbei und betrat den Lift, der ihn ins Penthouse bringen würde. Nic verließ sich auf seine geschulte Menschenkenntnis. Außerdem galt er als erfahrener Stratege und hatte sich einige vielversprechende Pläne zurechtgelegt. Er musste nur entscheiden, welcher am ehesten zum Erfolg führen könnte, und ihn umgehend in die Tat umsetzen.
Sekunden später schritt er energisch über den glänzenden Marmorfußboden, direkt auf eine kunstvoll geschnitzte Doppeltür zu. Er drückte auf die Klingel. Drinnen rührte sich nichts. Nic senkte den Daumen erneut auf den Knopf und klingelte Sturm.
Er hatte sich schon ein paar Mal gefragt, warum Vasili sich eine sechs Jahre ältere Frau gesucht hatte, um Nachwuchs in die Welt zu setzen. Nic wusste, dass Tina das einzige Kind ihrer verwitweten Mutter war, die jedoch vor fünf Jahren wieder geheiratet hatte, um dann nach Noosa in Queensland umzusiedeln.
Tina hatte das College mit durchschnittlichen Leistungen beendet und wurde als sportlicher, lebenslustiger Typ beschrieben. Ihr Fingerspitzengefühl für Modetrends bescherte ihr die leitende Position in einer gehobenen Boutique in Double Bay, die ihrer Mutter gehörte. Sie hatte Freundinnen, aber keine längere Beziehung zu einem Mann.
Verdammt, warum macht sie nicht auf?
Ungeduldig zog er sein Handy aus der Tasche, drückte eineKurzwahltaste und erkundigte sich bei seinem Vater, wann jemand zuletzt das Apartment gecheckt hätte. Die Antwort machte ihn stutzig: am Morgen nach Vasilis Tod.
Vor zwei Wochen?
„In Anbetracht der gegenwärtigen Entwicklungen möchte Stacey sich nicht in Tinas Wohnsituation einmischen.“ Paul Leandros’ Stimme nahm einen scharfen Unterton an. „Lass mir ein paar Minuten Zeit, ich rufe gleich zurück.“
Nic musste nicht lange warten. Sein Vater informierte ihn, dass der Verwalter mit dem Generalschlüssel bereits auf dem Weg zu ihm sei.
Das Apartment bot einen atemberaubenden Ausblick auf die Bucht, aber Nic nahm das funkelnde Lichtermeer hinter der vom Boden bis zur Decke reichenden Glasfront kaum wahr. Er dankte dem Angestellten und schloss die Tür hinter ihm, bevor er sich gründlich umsah. Nirgends jedoch entdeckte er Anzeichen dafür, dass die Räume bewohnt waren.
Vasilis Kleidung hing in einem der beiden begehbaren Schränke, und auf dem Marmordoppelwaschtisch standen eine Reihe Toilettenartikel, die eindeutig einem Mann gehörten. Der Anblick schmerzte Nic seltsamerweise mehr als der Moment, in dem Paul ihn anrief, um von dem tragischen Unfall zu berichten. Ja, selbst bei der Beerdigung hatte er den Verlust nicht so niederdrückend empfunden wie in diesem Moment. Vasili würde nicht wiederkommen, nicht beanspruchen, was ihm zustand – Kleidung und andere Besitztümer. Und vor allem nicht die Freude, sein Kind in den Armen zu halten.
Mit grimmiger Miene betrat Nic das zweite Schrankzimmer. Es war leer. Nic schaute in den zweiten Schlafraum, in den dritten. In beiden, wie auch in den angrenzenden
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