JULIA EXTRA BAND 0261
trank sie Mineralwasser und aß in kleinen Bissen, was auf ihrem Teller lag. Ohne sich später erinnern zu können, wie es geschmeckt hatte. Auch die Unterhaltung, die sie mit den anderen Gästen am Tisch führte, berührte sie nicht.
Dafür spürte sie das leichte Ziehen, das sie schon den ganzen Tag über im Rücken gezwickt hatte, zunehmend deutlicher. In der Hoffnung, es zu mildern, rutschte sie auf dem Stuhl unauffällig hin und her, um eine bequemere Sitzposition zu finden. Hatte sie letzte Nacht falsch gelegen, im Schlaf einen Muskel überdehnt? Ich werde mir doch nicht den Magen verdorben haben?, überlegte sie.
Vielleicht half es aufzustehen und sich ein bisschen zu bewegen. Tina beschloss, die Damenwaschräume aufzusuchen.
Es dauerte eine Weile, bis sie wieder an den Tisch kam, daviele weibliche Gäste eine ähnliche Idee gehabt hatten. Vor den Toiletten war eine lange Schlange gewesen.
Man servierte bereits den Kaffee. Manche setzten sich an andere Tische, um mit alten Bekannten zu plaudern, andere strebten zum Ausgang.
Tina fing Nics prüfenden Blick auf, als sie wieder auf den Stuhl glitt.
„Wollen wir aufbrechen?“
„Ja, bitte.“
Ihm fiel auf, wie blass sie war. „Was ist los?“
„Ich bin mir nicht sicher.“
Nic verständigte unverzüglich den Portier und geleitete Tina in die Eingangshalle. Ihr Wagen wurde vorgefahren.
„Ich möchte lieber erst nach Hause“, wandte Tina ein, weil Nic das nächste Krankenhaus ansteuerte. Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als sie sich zusammenkrümmte und nach Luft schnappte. Der Krampf durchschnitt sie wie ein Messer.
Alles Weitere bekam sie nur undeutlich mit. Man rollte sie in die Notaufnahme, befragte sie und hängte sie an einen Tropf, bevor man sie gründlich untersuchte.
Sie hatte eine Fehlgeburt. Der Arzt nannte es Spontanabort. Er verordnete ein paar Tests, eine Ultraschalluntersuchung, Schmerzmittel und ließ sie stationär aufnehmen. Eine Nacht, nur zur Beobachtung. Wenn keine Komplikationen auftraten, konnte sie morgen wieder entlassen werden.
„Fahr ruhig nach Haus“, sagte sie zu Nic, nachdem sie alle Maßnahmen über sich hatte ergehen lassen.
Sein Gesicht war ausdruckslos. Er zog sich einen Stuhl ans Bett. „Ich bleibe.“
„Das kannst du nicht.“
„Und ob ich kann.“
Sie war zu erschöpft, um zu streiten. Tina schloss die Augen, unfähig, ihre Gedanken zu ordnen. Die Schläfrigkeit nahm zu. Hatte man ihr etwas gegeben?
Ungestörte Nachtruhe war ihr nicht vergönnt. In regelmäßigen Abständen sah eine Krankenschwester nach ihr. Einmal wandte Tina den Kopf. Nic saß noch immer da.
Am frühen Morgen kam Leben in die Station. Die Tagschwestern übernahmen die nächste Schicht, das Frühstück wurde verteilt und für die anstehenden Visiten Vorbereitungen getroffen.
Nic war gegangen, und als Tina sich erkundigte, erfuhr sie, dass er nach Hause gefahren war, um sich umzuziehen.
Sie duschte und zog sich ein frisches Krankenhaushemd an. Eine Schwester eilte herein, maß ihre Temperatur, prüfte ihren Blutdruck, kontrollierte die Infusion und fragte schließlich, wie es ihr ginge.
„Danke, gut.“ Die Antwort kam automatisch. In Wirklichkeit wusste sie nicht, wie sie sich fühlte. Schuldgefühle, Wehmut, alle möglichen Emotionen beherrschten ihre Gedanken. Allen voran die Erinnerung an Nics eindringliche Forderung, zum Wohl des Kindes eine Zweckehe einzugehen.
Das Kind gab es nicht mehr.
Wie soll es jetzt weitergehen?
Tina blickte auf und sah Nic im Türrahmen stehen. Mit energischen Schritten kam er zu ihr ans Bett, beugte sich über sie und streifte mit den Lippen ihre Stirn.
„Wie geht es dir?“
Nic trug Hose, Jackett und ein am Kragen offenes Hemd. In einer Hand hielt er eine kleine Reisetasche, in der anderen einen farbenprächtigen Blumenstrauß. „Ich habe dir etwas zum Anziehen gebracht und noch ein paar andere Dinge, die du vielleicht brauchst.“ Er überreichte ihr das Bouquet. „Die Schwester sagte, sie holt eine Vase.“
„Danke.“
Tina sah … zerbrechlich aus. Als könne ein Windhauch sie umpusten. „Ich habe im Schwesternzimmer nachgefragt – der Gynäkologe wird bald hier sein.“
„Ja, das haben sie mir auch gesagt.“
Nic unterdrückte das Bedürfnis, sie in die Arme zu nehmen und sich mit ihr in den Sessel zu setzen, um sie fest an sich zu drücken. Wahrscheinlich hätte sie sich gewehrt. Ihre Blicke trafen sich. Sie schaute zuerst zur Seite.
Verdammt. Ahnte sie, wie hilflos er
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