JULIA EXTRA BAND 0262
nun nicht mehr in der Vergangenheit schwelgen.
Nachdem sie im Copacabana Palace eingecheckt hatte, rief sie den Anwalt ihres Vaters an und verlangte nach einem Jet, der sie zu ihrem Anwesen bringen sollte. Andrade kam ihrem Wunsch sofort nach, und schon wenige Stunden später erstreckte sich unter ihr schier unendliches Farmland und dunkelgrüner Regenwald.
Mit der Tatsache, dass sie sich in jedem Fall noch mit Ricardo auseinandersetzen und ihm ihre Kurzschlusshandlung erklären musste, hatte Gabriella sich bewusst nicht befasst. Vielleicht war er ja nach ihrer Flucht auch froh darüber, sie wieder los zu sein. Natürlich würde es einen internationalen Skandal geben, und das tat ihr auch aufrichtig leid, nachdem Ricardo ihr gegenüber sehr anständig gewesen war. Aber eine andere Lösung gab es nun einmal nicht, daran hielt Gabriella entschlossen fest. Deshalb verdrängte sie den Gedanken an Ricardos intensive dunkle Augen und sein warmes Lächeln, das er ihr so selten geschenkt hatte.
Ungeduldig legte sie die Zeitschrift, in der sie geblättert hatte, zur Seite. Sie war ihn los, warum musste sie also noch ständig an ihn denken? Das machte keinen Sinn. Absolut keinen Sinn!
„Du hast was getan?“ Mae Isaura, Gabriellas alte Nanny, stemmte ihre Hände in die Hüften. Ihre Gestalt füllte fast den ganzen Türrahmen zu Gabriellas Zimmer aus.
„Das habe ich dir doch schon gesagt“, murmelte Gabriella und tat so, als wäre sie mit dem Auspacken ihrer Kleider beschäftigt. „Ich habe ihn verlassen. Ich will nicht mit ihm verheiratet sein, Isaura. Es war eine verrückte Idee von Vater, uns dazu zu zwingen. Und es war unfair. Ricardo und auch mir gegenüber.“ Kritisch hob sie eine Bluse hoch und betrachtete sie. „Die hier müsste gebügelt werden.“
„Versuche nicht, das Thema zu wechseln, junge Dame!“
„Das tue ich nicht. Ich meinte doch nur, dass diese Bluse …“
„Oh, ich wünschte, du wärst noch ein kleines Mädchen. Ich sage dir, dann hätte ich dir dafür den Hintern versohlt, du ungezogenes Kind! Du hast kein Recht dazu, dich derart zu verhalten. Und jetzt hör auf, deine Sachen auszupacken. Du wirst augenblicklich zu deinem Mann zurückehren!“
„Nein, das werde ich nicht“, sträubte sich Gabriella.
Wie früher standen sich die beiden Frauen mit blitzenden Augen gegenüber. Isaura war klein, dunkelhäutig und etwas füllig. Und sie war die einzige Person, der Gabriella sich jemals fügte. Gabriella dagegen war groß, schlank, und ihre grünen Augen funkelten herausfordernd.
„Ich weigere mich, mit ihm zusammenzuleben, Isaura“, fuhr sie fort. „Ich will nicht zurück in dieses alberne Fürstentum mit seinen formellen Umgangsregeln, seiner Etikette und seiner ganzen Steifheit. Ricardo hat kaum ein Wort mit mir geredet, als wir dort waren. Man erstickt dort, es ist unerträglich. Ich will das nicht.“ Sie wirbelte herum und sah störrisch zum Fenster hinaus.
„Gabriella, du bist inzwischen zu alt, um immer zu schmollen. Du bist jetzt eine verheiratete Frau, kein kleines Kind mehr. Es überrascht mich, dass dieser Mann dir überhaupt so etwas durchgehen lässt. Er schien mir eigentlich ausgesprochen vernünftig zu sein. Und vor allem sehr maskulin. Bestimmt wird er nicht gut darauf zu sprechen sein, was du hier inszenierst. Du erniedrigst ihn vor der ganzen Welt. Du solltest dich schämen!“
„Er hat es nicht anders gewollt“, wehrte Gabriella sich, obwohl ihr schlechtes Gewissen sich allmählich meldete.
„Nun, dieses Mal hast du es nicht anders gewollt, Liebes“, widersprach Isaura streng. „Und ich habe kein Mitleid mit dir, wenn du die Konsequenzen deines Handelns zu tragen hast. Du verdienst, was auf dich zukommen wird.“ Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um, warf die Tür hinter sich ins Schloss und ließ Gabriella mit ihren finsteren Gedanken allein.
„Was meinst du damit, sie ist weg?“ Die Gräfin saß kerzengerade auf einem hohen thronähnlichen Stuhl und sah schockiert zu Sara hinauf, die direkt neben ihr stand.
„Wie ich schon sagte“, seufzte Ricardo und setzte sich ihr gegenüber auf ein Brokatsofa. „Sie hat sich einfach auf und davon gemacht. Angeblich wollte sie in Miami einkaufen gehen, hat sich dann für die Nacht eine Hotelsuite genommen und den Angestellten freigegeben. Danach hat sie ihre Sachen zusammengepackt und ist verschwunden.“ Er schnippte mit den Fingern.
„Aber wohin ist sie gegangen?“, erkundigte sich Sara
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