JULIA EXTRA BAND 0262
selbst herumlaufen zu sehen? Wo ist der vitale junge Mann geblieben, der stets bereit war, die Welt aus den Angeln zu heben? Okay, du magst noch nicht reif für eine erneute Heirat sein, aber was spricht dagegen, Elektra auf einer rein freundschaftlichen Ebene kennenzulernen? In ihr hättest du endlich eine hübsche, adäquate Begleitung für Geschäftsessen und gesellschaftliche Verpflichtungen, mein Sohn. Es wird Zeit, dass du dich wieder mehr um die Belange der Firma kümmerst, als die kostbaren Stunden und Tage mit deinem lächerlichen Hobby zu vergeuden.“
Leonidas kehrte hinter seinen Schreibtisch zurück und ließ sich schwer in den komfortablen Chefsessel fallen. Er wirkte plötzlich blass und eingefallen und legte instinktiv eine Hand auf die Herzgegend. Obwohl Lysander wütend über die abfällige Art war, mit der er über seine Fotografien sprach, regte sich in ihm Sorge um den Gesundheitszustand seines Vaters. Gab der alte Mann vielleicht nur vor, so stark zu sein, wie es bis eben noch den Eindruck gemacht hatte?
„Alles in Ordnung, Vater? Soll ich jemand vom Personal rufen? Oder einen Arzt?“
Leonidas winkte ab. „Mir geht’s gut. Ich bin natürlich betroffen darüber, dass du mein ernsthaftes, väterliches Interesse an deiner Zukunft als Berechnung und Manipulation hinstellen willst“, knurrte er ungnädig. „Warum wehrst du dich nur so strikt dagegen, am Samstag nach Athen zu kommen, um mit mir und deiner Mutter zu essen?“
Und Takis und seiner bezaubernden Tochter, fügte Lysander in Gedanken hinzu. „Ich bin mitten in meinem Urlaub, Vater, und ich habe nicht das geringste Bedürfnis, schon wieder Stadtluft zu schnuppern. Kannst du denn das nicht akzeptieren? Du wirst deinen Freund und die schöne Elektra schon allein unterhalten müssen, befürchte ich.“
„Nun gut, dann geh. Aber du wirst auf jeden Fall selbst deine Mutter anrufen, um ihre Essenseinladung abzusagen, so viel Anstand wirst du doch wohl noch aufbringen können, oder? Sie sorgt sich so sehr um dich, Lysander, und spricht den ganzen Tag kaum von etwas anderem. Und falls du von deinen kleinen Fotosafaris möglicherweise doch zwischendurch genug hast, tu uns den Gefallen und besuche uns am Samstag zum Dinner, ja? Danach kannst du gleich wieder auf deine geliebte Insel zurückkehren. Das verspreche ich dir.“
„Meine Antwort kennst du bereits“, gab sein Sohn kühl zurück, verließ ohne ein weiteres Wort die Kabine, durchquerte geradezu hastig den mit edlen Hölzern und kostbaren Antiquitäten ausgestatteten Salon, um endlich von Bord und an Land zu kommen, wo er hoffentlich wieder frei atmen konnte.
Als Eleni an jenem Morgen erwachte, hatte sie das Gefühl, eine ganze Schar von Schmetterlingen in ihrem Bauch zu beherbergen. Zuerst wusste sie gar nicht, woher dieses ungewohnte Gefühl rührte, doch sobald es ihr wieder einfiel, errötete sie unwillkürlich.
Gestern Nacht hatte Lysander sie zum Abschied geküsst, und heute war sie mit ihm am Hafen verabredet. Er wollte sie zu einer kleinen Bucht entführen.
Genüsslich dehnte und streckte sich Eleni unter dem dünnen Baumwolllaken und malte sich dabei aufgeregt und zunehmend nervös aus, wie der heutige Tag verlaufen könnte. Während sie die weiß gekalkte Zimmerdecke anstarrte, wünschte sie sich plötzlich, auf irgendeine Art ein Zeichen gesandt zu bekommen, das ihr den Tag als eine einmalige Gelegenheit verhieß, die sie unbedingt wahrnehmen sollte, und nicht als einen falschen Weg … gepflastert mit Reue.
Aber war sie nicht völlig frei in ihren Entscheidungen? Instinktiv legte sie ihre Hände an die Wangen, wo Lysanders feste, warme Lippen sie berührt hatten. Eleni schloss die Augen und versetzte sich noch einmal in diesen wundervollen Schwebezustand, in den seine harmlose Liebkosung sie versetzt hatte. Dabei war seine unerwartete Berührung zunächst ein Schock gewesen.
Doch offenbar hatte Lysander auf sie die gleiche Wirkung, wie die griechische Sonne auf einen Eisblock.
Eine Stunde später war Eleni bereits am Hafen und suchte zwischen den Gesichtern der Touristen, die vor den Tavernen an bunt gedeckten Tischen saßen oder die Uferpromenade entlangschlenderten, nach den inzwischen vertrauten Zügen ihres „Traumprinzen“. So bezeichnete sie Lysander in einem romantischen Anflug, von dem er glücklicherweise nie etwas erfahren würde. Als sie seine schlanke Gestalt entdeckte, schien die ganze Szenerie um sie herum zu verblassen.
Er war so … schön,
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