JULIA EXTRA BAND 0262
Augen lag ein wachsamer Ausdruck.
„Im letzten Jahr hat er einen bedeutenden Konzern übernommen …“ Leonidas nannte den Namen einer der größten Schifffahrtslinien weltweit, ein Name, den sein Vater, wie Lysander wusste, nur zu gern mit ihrem eigenen in lukrative Verbindung gebracht hätte. Augenblicklich spürte er ein beunruhigendes Kribbeln im Nacken.
„Erinnerst du dich auch daran, dass er eine Tochter hat? Nun, Elektra ist jetzt zweiundzwanzig Jahre alt, und ich habe sie gestern Abend, anlässlich eines Essens mit Takis, persönlich kennenlernen dürfen. Sie ist ein bezauberndes Mädchen, von außergewöhnlicher Schönheit und Intelligenz. Ihre exzellente Ausbildung erhielt sie in den besten Schulen von Paris und Rom, zudem hat sie in allen wichtigen Belangen einen sicheren und exquisiten Geschmack.“
Er machte eine Kunstpause, doch auf Lysanders Gesicht zeigte sich keine Regung.
„Takis hat mir verraten, wie sehr sie sich danach sehnt, sich endlich niederzulassen und eine Familie zu gründen. Ich konnte einfach nicht anders, als daran zu denken, wie perfekt ihr beide füreinander wärt, Sohn“, sagte er jovial. „Hör zu, Lysander, deine Frau ist jetzt mehr als zwei Jahre tot … ich würde sagen, es ist Zeit für dich, erneut über eine Heirat nachzudenken. Ich würde mich sehr freuen, wenn du am Samstag nach Athen kommen könntest, um Elektra kennenzulernen. Als ich ihr von dir erzählte, war sie jedenfalls sehr interessiert. Fasziniert war genau gesagt das Wort, das sie gebrauchte.“
Lysander presste die Kiefer fest aufeinander und zählte innerlich langsam bis zehn. Wie ein gefangener Tiger lief er in der luxuriösen Kabine auf und ab und stieß einen unartikulierten, harten Laut aus, um seinem Vater nicht etwas noch Härteres und Vernichtenderes entgegenzuschleudern, was er später bereuen würde.
Sein Misstrauen hatte sich also bestätigt.
Lysander lachte bitter auf. Wenn der alte Mann doch nur ein einziges Mal seine negativen Erwartungen ihm gegenüber enttäuschen würde! Brachte sein Vater es wirklich nicht fertig, sich in seine Lage hineinzuversetzen und Verständnis dafür aufzubringen, was er in den letzten zwei Jahren durchgemacht hatte? Doch wie es aussah, hatte Leonidas kein Problem damit, die schmerzvollen Ereignisse, die das Leben seines Sohnes zerstörten, aus seinem Bewusstsein zu verdrängen.
Die Heirat war damals auf Anraten seines Vaters zustande gekommen. Natürlich musste Leonidas seinen Sohn nicht wirklich dazu zwingen, da Lysander sich anfangs von Mariannas umwerfender Schönheit und ihren Liebesschwüren blenden ließ. Doch der Traum von einer liebevollen Gefährtin an seiner Seite und einer glücklichen Familie zerplatzte schnell. Seine Frau betrog ihn nicht ein-, sondern gleich zweimal, und selbst die Hoffnung, ihre angeknackste Ehe zu kitten und über die gemeinsame Fürsorge für den erwarteten Nachwuchs wieder zueinander zu finden, wurde auf die schmerzhafteste und grausamste Weise zerstört, die man sich nur vorstellen konnte – durch Mariannas Tod und dem seines ungeborenen Sohnes.
Wenn sein Vater ihm jemals sein Bedauern über diesen Schicksalsschlag ausgesprochen oder eine Entschuldigung für seine nicht unbeträchtliche Rolle in dieser unglückseligen Affäre geäußert hätte, würde Lysander ihm vielleicht vergeben können. Und jetzt das noch!
Obwohl Lysander den Standpunkt aus dessen Sicht sogar nachvollziehen konnte, kränkten ihn doch sein Egoismus und die Selbstherrlichkeit, mit der er sich über die Bedürfnisse seines Sohnes hinwegsetzte.
„Du bist wirklich unglaublich, weißt du das?“, brachte er mühsam hervor. „Wie kannst du es nur wagen, mir gegenüber das Thema einer erneuten Heirat anzuschneiden? Du weißt doch, dass ich immer noch um meinen verlorenen Sohn trauere und den Glauben an die zweifelhafte Institution der Ehe verloren habe! Ich bin weder daran interessiert, deinen Freund zu treffen, noch seine Tochter.“
Lysander erstickte fast an seiner unterdrückten Wut. „Die letzten Jahre bin ich durch die Hölle gegangen, Vater!“, stieß er heiser hervor. „Und das war etwas, was ich nicht einmal meinem ärgsten Feind wünsche. Doch alles, woran du denken kannst, ist Profit!“
„Du solltest mir gegenüber etwas mehr Respekt zeigen, Lysander“, forderte Leonidas. „Egal, wessen du mich bezichtigst – ich habe immer nur dein Bestes gewollt. Glaubst du, es fällt mir leicht, meinen einzigen Sohn wie den Schatten seiner
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