JULIA EXTRA BAND 0262
sich um das Zusammentreiben der Herde kümmerte, der die Drecksarbeit erledigte, der Zäune errichtete, Dämme baute, das Vieh mit Brandzeichen versah oder die Pferde zuritt. Immer hatte Luke darauf bestanden, die wirklich schwierigen Jobs selbst zu übernehmen.
Wenn ein wilder Bulle eingefangen werden musste, machte das der Boss. Einmal waren die Flügel einer Windmühle bei einem heftigen Sturm entzweigebrochen, und es sah so aus, als würde die Spitze einbrechen. Eigentlich hätte Nails sich darum kümmern müssen. Aber wieder war Luke persönlich hochgeklettert und hatte die Flügel repariert.
Oft hatte er gesagt, Warrapinya zu leiten wäre weniger ein praktischer Job als eine Herzensangelegenheit.
Deshalb verblüffte es Erin auch so sehr, zu erfahren, dass er in nur fünf Jahren die Arbeit an jemand anderen delegiert hatte. Jedenfalls konnte er sich dadurch ausschließlich um Joey kümmern. Das hätte Erin eigentlich freuen sollen. Stattdessen reagierte sie wütend und verletzt. „Ich … ich könnte es einfach nicht ertragen, wenn ihm irgendetwas zustoßen würde.“
„Was sollte ihm denn zustoßen? Wovon redest du überhaupt?“
„Der Busch ist so gefährlich.“
Laut aufstöhnend, warf Luke den Kopf zurück und sah starr an die Decke. Dann blickte er Erin mit funkelnden Augen an. „Ich hoffe, diesen Unsinn hast du nicht Joey erzählt.“
„Nein.“
„Wahrscheinlich hast du ihm gesagt, dass du aus diesem Grund gegangen bist – du hattest Angst vor dem Busch.“
„Nein!“
„Aber so war es doch, oder? Es hatte weniger mit uns zu tun als mit deiner Unfähigkeit, im Busch zu leben.“
Dieses Gespräch ergab überhaupt keinen Sinn. Das alles gehörte längst der Vergangenheit an, ihre Scheidung war eine Tatsache.
Als Erin nichts entgegnete, trat Luke drohend einen Schritt auf sie zu.
„Du … du weißt, dass es nicht allein daran lag“, verteidigte sie sich.
„Okay, dann hilf mir doch mal auf die Sprünge. Was genau war denn unser Problem?“
„Verdammt noch mal, es bringt doch nichts, das alles jetzt wieder ans Licht zu zerren.“
„Komm schon, das genügt nicht.“
„Wieso fragst du mich das jetzt? Es ist zu spät.“ Mit zusammengebissenen Zähnen setzte sie hinzu: „Es ist fünf Jahre zu spät.“
„Vor fünf Jahren konnte ich dich nicht fragen, weil du weggelaufen bist.“
„Du hast nicht versucht, mich zu kontaktieren, nachdem ich gegangen bin. Damals hättest du mir diese Frage stellen können.“ Erin stiegen Tränen in die Augen. „Als ich Warrapinya verließ, hast du gesagt, ich könnte zur Hölle fahren. Danach hast du nicht einmal versucht, mich anzurufen. Von dir kam kein Wort. Du wusstest, dass Joey krank war. Trotzdem hast du mich nicht einmal gefragt, wie es ihm geht. Nicht ein einziges Mal. Offensichtlich hat es dich nicht interessiert.“
Bis zu dem Tag, an dem sie ihm geschrieben und dieses Treffen mit Joey vorgeschlagen hatte. Fünf Jahre lang hatte Luke sein trotziges Schweigen wie eine Tapferkeitsmedaille vor sich hergetragen. Kontakt hielten sie nur über seinen Anwalt und seinen Buchhalter, der ihr eine monatliche Summe für Joeys Unterhalt überwies.
Luke stand direkt vor ihr, seine Augen funkelten vor Zorn. Eine Sehne zuckte an seinem Hals, dann schüttelte er langsam den Kopf. „Du hast recht“, sagte er. „Du bist müde, und dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für ein solches Gespräch.“
Ohne ein weiteres Wort drehte Luke sich um und marschierte aus dem Zimmer.
Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss. Erin spürte, wie ein Schluchzen sie zu schütteln begann. Fast wäre sie in Tränen ausgebrochen, doch dann hörte sie plötzlich ein Geräusch. Sie drehte sich um und sah Joey an der Türschwelle stehen. Er blinzelte ins Licht.
„Oh, Liebling“, rief sie, breitete die Arme aus und lief auf ihn zu. „Haben wir dich geweckt?“
„Ihr habt so laut geschrien.“
„Geschrien?“
„Du und – und Dad.“ Erschrocken sah er sie an. „Weinst du, Mom?“
„Nein.“ Hastig zog sie Joey an sich und wischte sich rasch die Tränen aus den Augen. Dann küsste sie ihn. „Dein Dad und ich haben uns nur unterhalten. Entschuldige, wenn wir etwas zu laut waren.“
„Es hörte sich an, als wärst du sauer.“ Joey sah an ihr vorbei. „Wo ist Dad jetzt?“
„Er ist in sein Zimmer gegangen.“
„Warum?“
„Weil … weil er müde ist und schlafen muss. Genau wie ich. Und wie du.“
„Ich bin aber gar nicht mehr müde.“
Niedergeschlagen
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