JULIA EXTRA BAND 0262
sprach er?
Sie warf die Bettdecke zur Seite, als plötzlich zwei Gestalten an der Tür erschienen. Die eine war groß, die andere klein.
„Mommy, du bist wach!“ Joey lief durchs Zimmer auf sie zu. „Du hast den ganzen Tag geschlafen.“
„Den ganzen Tag? Unmöglich!“
„Nur den halben.“ Das war Lukes Stimme. „Es ist kurz nach Mittag.“
Mittag. Erin stöhnte. Dies war ihr letzter Tag mit Joey, bevor sie nach North Queensland fahren würde. Die Hälfte davon hatte sie bereits verschlafen. Warum hatte sie den Jetlag nicht in die Planung mit einbezogen?
„Wir haben schon gefrühstückt und zu Mittag gegessen“, informierte Joey sie. „Ich hatte einen Mordshunger.“ Er warf sich breit lächelnd neben sie aufs Bett. Seine Wangen glühten, als ob er im Freien gespielt hätte. „Rate mal, was es zum Mittagessen gab?“
Dass Luke sie von der Tür aus beobachtete, war Erin deutlich bewusst. Sie wickelte sich in die Bettdecke und zog sie bis zum Hals hoch. Dann wandte sie sich wieder Joey zu. „Keine Ahnung. Was denn?“
„Fish und Chips“, verkündete er aufgeregt. „Dad und ich haben unten am Fluss ein Picknick gemacht. Wir haben gebackenen Fisch und salzige Pommes aus einer Papiertüte gegessen.“
„Wow, das klingt nicht schlecht.“
„Es war super. Ich habe den Möwen den Rest gegeben. Dazu haben wir Cola getrunken.“
Erin sah Luke an. Seine Augen glänzten, er lächelte. Irgendwie wirkte er viel heiterer als gestern. Sie verspürte das Verlangen, ihm einen Dämpfer zu geben. „Du hättest mich nicht so lange schlafen lassen sollen“, sagte sie anklagend.
„Tut mir leid, du warst völlig hinüber.“
Aufmerksam wandte sie sich wieder Joey zu. „Wann habt ihr das gemacht? Wie lange bist du denn schon wach?“
„Ich habe Dad klopfen gehört und ihm aufgemacht. Dann hat er dich geschüttelt.“ Er zuckte die Schultern.
„Er hat was gemacht?“
Ihr wurde ganz heiß, als sie es sich vorstellte. Luke war an ihr Bett gekommen, hatte sich über sie gebeugt – und sie berührt, während sie schlief. Erneut warf Erin ihm einen Blick zu. Er lehnte gegen den Türrahmen und wirkte irgendwie amüsiert.
Offenbar bemerkte Joey ihre Anspannung. Er runzelte die Stirn. „Dad hat dich nur ein bisschen geschüttelt, Mom. Aber du bist nicht wach geworden. Deshalb meinte er, wir sollten dich schlafen lassen. Er hat mir beim Anziehen geholfen und dir einen Zettel geschrieben. Danach sind wir frühstücken gegangen.“
Einen Zettel? Erst jetzt bemerkte Erin das Blatt mit dem Logo des Hotels auf ihrem Nachttischchen. Darauf erkannte sie Lukes gestochene Handschrift.
„Das heißt, ihr beide habt den ganzen Morgen miteinander verbracht“, sagte sie. „Dafür sollte ich mich bei dir bedanken, Luke.“
„Wirst du jetzt aufstehen?“, fragte Joey. „Dad meinte, wenn du Lust hast, könnten wir in den Taronga Zoo gehen.“
„Natürlich nur, wenn es dich interessiert“, fügte Luke schnell hinzu.
Aufgeregt sprang Joey im Bett auf und ab. „Du willst doch bestimmt mitkommen, Mom, oder? Dad hat gesagt, der Zoo ist auf der anderen Seite des Flusses, und wir können mit einer Fähre dorthin fahren.“
Dad hat dies gesagt, Dad hat das gesagt. Joeys Schwärmerei für Luke würde wohl so bald nicht aufhören.
„Lasst mich vorher nur kurz duschen.“
„Du wirst einen Kaffee und etwas zu essen brauchen“, sagte Luke. Seine Worte gingen in Joeys Freudenschreien fast unter. „Kann ich dir etwas bestellen?“
Natürlich willigte Erin ein. Sie stimmte allem zu, denn auf gar keinen Fall wollte sie Joey den letzten gemeinsamen Nachmittag verderben. Erin protestierte nicht einmal, als er sie und Luke später beim Spaziergang ganz einfach bei der Hand nahm – so, als wären sie eine ganz normale Familie.
Es wurde ein wunderschöner Tag. Sie stiegen in den Bus, der sie zum Circular Quay bringen würde. Erin fiel auf, dass sich die trübe Wetterstimmung vom Vortag aufgelöst hatte. Die Luft war frisch und klar, der Himmel von einem tiefen Blau. Und die Sonne ließ den Hafen von Sydney wie ein Meer von Saphiren blitzen. Es war zwar ein wenig kühl, und sie mussten warme Jacken tragen, trotzdem konnte Erin kaum glauben, dass Winter war.
Joey fand alles ganz toll – selbst das Schlangestehen vorm Ticketschalter für die Fähre –, und seine Begeisterung war ansteckend. Als das Boot den Hafen verließ, fiel Erin auf, dass sie sich seit Jahren schon nicht mehr so entspannt gefühlt hatte. Vielleicht konnte
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