JULIA EXTRA BAND 0262
schwesterliche Besorgnis in Angies Stimme war fast zu viel für Erin. Sie brauchte ihre gesamte Willenskraft, um nicht in Tränen auszubrechen.
„Versteht Luke überhaupt, wie schwer das für dich ist? Hast du ihm gesagt, dass du bisher noch nie von Joey getrennt warst?“
„Er hat ihn immerhin fünf Jahre lang nicht gesehen. Deshalb wollte ich deswegen keinen Aufstand machen.“
„Verstehe.“
„Ich möchte auch nicht, dass Luke denkt, ich würde Joey zu sehr verwöhnen. Den Eindruck hat er nämlich schon bekommen.“
„Was macht denn der Cowboy?“
„Er ist … es geht ihm gut.“
„Erin, du weißt genau, dass ich nicht seinen Gesundheitszustand meine. Wie hat er sich verhalten?“
„Er …“, sie zögerte. „Er kommt sehr gut mit Joey zurecht. Und Joey vergöttert ihn natürlich.“
„Klingt gut. Aber wie hat er sich dir gegenüber verhalten?“
„Ganz okay.“
„Okay? Was soll das heißen? Nun lass dir doch nicht jedes Detail aus der Nase ziehen.“
„Er … bisher war er sehr vernünftig und kooperativ. Außerdem ist er auf all meine Bedingungen eingegangen. Er hat sich vollkommen korrekt benommen.“ Sie dachte nicht daran, Angie von dem Kuss zu erzählen. „Wie geht’s Ed?“
„Prima. Aber zurück zu Luke. Sieht er immer noch so umwerfend gut aus?“
„Angie! Warum fragst du?“
„Ich bin nur neugierig.“
„Er … er sieht aus wie immer.“
Angie antwortete darauf nicht sofort. Während der unangenehmen Gesprächspause verfluchte Erin die unheimliche Gabe, mit der Angie ihre geheimsten Gedanken lesen konnte. Tatsächlich hatte Erin die ganze Zeit daran denken müssen, wie unglaublich männlich Luke aussah.
Sie konnte nicht anders. Wahrscheinlich würde ein Teil von ihr immer in sein Aussehen verliebt sein. In vielerlei Hinsicht fühlte sie sich Luke immer noch so sehr verbunden. Fünf Jahre Trennung änderten daran nichts.
Ihn wiederzusehen weckte Gefühle in ihr, die sie verzweifelt zu verdrängen versuchte. In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte es Momente gegeben, in denen sie fast wünschte, dass er …
Nein.
Nein, nein, nein. Nachdem sie sich von Joey getrennt hatte, war sie heute einfach viel zu labil. „Das Wetter ist ganz toll hier“, sagte sie.
„Erin, du sprichst mit deiner Schwester. Komm schon, wie war es für dich, Luke nach so langer Zeit wiederzusehen? Bestimmt hattest du Schmetterlinge im Magen.“
„Nein, keine Schmetterlinge“, fuhr Erin sie an.
„Kein Grund, mir gleich den Kopf abzubeißen. Stell dich innerlich nur auf eine romantische Zeit ein. Dein Sternzeichen ist diesen Monat nämlich in der Venus.“
„Oh, Angie, gib es auf!“
Erneutes Schweigen. „Was ist denn das Problem, Liebes?“
„Das hab ich dir doch schon gesagt. Ich vermisse Joey. Aber mach dir keine Sorgen. In ein oder zwei Tagen werde ich darüber schon hinwegkommen.“ Erin wischte sich die Augen. „Ich habe vor, in ein anderes Hotel umzuziehen. Außerdem habe ich hier in Sydney viele interessante Ausflüge geplant.“
„Klingt gut“, erwiderte ihre Schwester. „Versprich mir nur eines.“
„Was denn?“
„Verlieb dich nicht wieder in einen Australier.“
Erin lachte erstickt auf. „Das schwöre ich dir. Diesen Fehler werde ich bestimmt kein zweites Mal machen.“
„Stimmt. Für dich gibt es ja auch nur einen Australier.“
„Angelina!“
„Entschuldige, ich werde das Thema nicht mehr erwähnen. Vielleicht sollten wir jetzt besser aufhören.“
„Okay. Danke für deinen Anruf. Grüß mir Mom und Ed.“
„Mach ich. Ciao, Erin.“
„Ciao.“
Erin legte auf und dachte an ihr Zuhause. Sie dachte an ihre Mutter, Lucia Lancantore Reilly, die noch mit sechzig eine so schöne Frau war, dass sich die Männer auf der Straße nach ihr umschauten. Aber nach ihrem Ehemann hatte Erins Mutter sich nie für einen anderen interessiert.
Ob sie Erins charmanten, unterhaltsamen Vater vermisste? Nachdem sein Bruder vor fünfzehn Jahren gestorben war, kehrte Peter Reilly damals nach Irland zurück. Er kümmerte sich dort eine Weile um den Bauernhof der Familie. Nur bereitete ihm das so großen Spaß, dass er nicht mehr zurückkehren wollte. Obwohl er Lucia angefleht hatte, zu ihm zu kommen, hatte sie sich hartnäckig geweigert, Manhattan zu verlassen.
Falls ihre Mutter die Entscheidung bedauerte, sprach sie jedenfalls nicht darüber.
Sie behauptete immer, ihr Job als Sprechstundenhilfe, ihre Kirche und ihr Bridgeclub würden sie erfüllen.
Bist du wirklich
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