JULIA EXTRA BAND 0262
andere Mann sofort aufsprang und ihr einen Stuhl anbot – am Ende der Tafel, so weit entfernt von Cesare wie möglich.
Sorcha wollte sich nicht setzen. Sie wollte am liebsten im Erdboden versinken, denn alle blickten sie verstört und feindselig an. Doch sie war noch immer wacklig auf den Beinen, und ihr war klar, dass es absolut lächerlich aussehen würde, wenn sie jetzt einfach wieder verschwand.
„Hier.“ Luca drückte ihr ein Glas Rotwein in die Hand, an dem sie dankbar nippte. Sie nickte grüßend in Richtung der anderen Gäste.
Eine der Frauen unterbrach die peinliche Stille: „Sind Sie sehr weit gereist?“
„Aus … England, um genau zu sein.“ Wie merkwürdig das klang.
Auch die anderen schienen nicht zu verstehen, warum Sorcha so plötzlich aufgetaucht war, und so entstand auf ihre Worte ein betretenes Schweigen. Alle warteten darauf, dass Cesare zurückkommen würde. Er brauchte ewig, und als er endlich erschien, hielt er eine durchsichtige Tüte hoch, in der sich Shampoo, Spülung und Unterwäsche befanden. In der Dunkelheit errötete Sorcha heftig.
„Dein Gepäck, nehme ich an?“, murmelte er und legte die Tüte auf einem Stuhl ab. Daraufhin sagte er etwas auf Italienisch, und die frostige Atmosphäre schien sich etwas zu entspannen – wenn auch nur minimal.
Cesare warf ihr einen raschen Blick zu. Sie hatte ihn überrumpelt – etwas, das ihm nur selten passierte und schon gar nicht vor anderen Leuten. Sie befand sich auf seinem Terrain und musste einsehen, dass die Dinge hier anders liefen. Wenn sie erwartete, dass er alles stehen und liegen ließ und den Tisch verließ, um … was? Warum war sie hier?
Ein Lächeln spielte um seine Lippen. „Meine Freunde waren besorgt, dass du irgendeine durchgedrehte Exfreundin sein könntest, aber ich habe ihnen erklärt, dass ich niemandem ein Glas Wein anbieten würde, der eine Bedrohung darstellt.“
Sie wusste, dass er diese ziemlich unmögliche Situation retten wollte, aber Sorcha war nahe dran, vor Scham zu vergehen. Wie musste sie nur auf diese eleganten und kultivierten Leute wirken?
„Lass mich dich vorstellen“, meinte Cesare trocken. „Luca hast du bereits kennengelernt – und das ist seine Frau Pia mit Gino, meinem Patenkind.“ Seine schwarzen Augen wurden ganz weich, als er auf das Kleinkind schaute. Dann wanderte sein Blick zu dem anderen Gast – eine Frau in schwarzer Seide mit langen dunklen Haaren und blutroten Lippen. „Und das ist Letizia …“
Sorcha bemerkte, dass sie keinen Ehering am Finger trug. Letizia schaute zuerst zu Cesare auf und dann zu Sorcha, so als wolle sie sagen: Er ist bereits vergeben! Sorcha begegnete ihrem dunklen, harten Blick.
„Hallo“, grüßte sie.
„Sprechen Sie Italienisch, Sorcha?“, fragte Letizia.
„Unglücklicherweise nein.“
„Oh, nun, dann müssen Sie unser Englisch ertragen.“ Letizia gab ein schillerndes kleines Lachen von sich. „Es wird uns guttun zu üben – si , Cesare?“
„Effettivamente“ , murmelte Cesare und durchbohrte Sorcha mit einem unergründlichen Blick. „Ich bin bereits sehr gespannt, was diesen unerwarteten Besuch ausgelöst hat – und zu einer so ungewöhnlichen Zeit.“ Er schaute zur Tür hinüber, wo ein Koch stand und so aussah, als würde er gleich beginnen wollen. „Doch wie alle großen Köche ist auch Stephan sehr temperamentvoll, und da er gerade die Vorspeise servieren will, muss deine Erklärung bis nachher warten.“
Er hob die Augenbrauen, so als wolle er ihr klarmachen, dass sie sich in seinem Haus seinen Wünschen zu fügen hatte. „Es sei denn, es ist so dringend, dass es nicht warten kann, Sorcha?“
Oh, ja sicher – sie würde jetzt sofort alles offenbaren: Ich glaube, ich liebe dich, Cesare. Ich weiß, wie dumm ich mich verhalten habe, also bin ich hierher gestürmt, um herauszufinden, ob unsere Beziehung eine Zukunft hat.
Die Antwort darauf stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Er vergnügte sich bei einem Dinner mit Freunden – es war nicht so, dass er dasaß und Trübsal blies oder gar an sie dachte. Nein, Cesare lebte sein Leben.
Er hatte ihre Beziehung hinter sich gelassen.
„Nein, das ist schon in Ordnung“, erwiderte sie leichthin.
Es war die schrecklichste Mahlzeit, die Sorcha jemals ertragen musste – und weil alle immer wieder vergaßen, Englisch zu sprechen, fühlte sie sich von Sekunde zu Sekunde mehr wie eine Außenseiterin.
Cesare nippte nachdenklich an seinem Wein und beobachtete, wie sie
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