JULIA EXTRA BAND 0262
Cesare die Tür hinter sich zuschlug. Als er eifersüchtig aus dem Studio gestürmt war, weil Maceo sie verführt hatte, aufs Heftigste mit ihm und der Kamera zu flirten.
„Gefällt es Ihnen?“, fragte eine samtig-weiche Stimme neben ihr. Als Sorcha sich umdrehte, sah sie Maceo an ihrer Seite, der das Foto aufmerksam betrachtete und dann seinen Blick auf sie richtete.
„Es ist …“
„Enthüllend?“, meinte er.
„Wahrscheinlich.“
Ihr fiel auf, wie ernst er heute wirkte. Das aufgesetzt fröhliche Verhalten aus dem Fotostudio war verschwunden. Offensichtlich verfügte auch Maceo über eine Maske, die er aufsetzte, wann immer er sie brauchte. Jeder hatte diese ganz persönliche Maske. Sie fragte sich nur, was hinter der von Cesare lag. Suchend blickte sie sich um. Ob auch nur die kleinste Chance bestand, dass er hier war?
Maceo hob eine Augenbraue. „Haben Sie ihn gesehen?“, fragte er kühl.
Wenn es irgendjemand anders gewesen wäre, hätte sie so getan, als wüsste sie nicht, von wem er spräche. Aber Maceo benötigte seine Kamera nicht, um das Künstliche, das Aufgesetzte zu entlarven, erkannte Sorcha. Seine schwarzen Augen schienen sie regelrecht zu durchbohren.
„Sie meinen, er ist hier?“, entgegnete sie, und dabei machte ihr Herz einen Satz.
Sein Mund verzog sich zu einem merkwürdigen Lächeln. „Nein. Er ist nicht hier. Ich meinte sein Foto.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Nein, das habe ich nicht gesehen.“
Seine Augen verengten sich, so als versuchte er, sie einzuschätzen und eine Entscheidung zu treffen. „Kommen Sie mit“, sagte er schließlich.
Sorcha folgte ihm durch die eleganten Räume, bis sie zu einem kleineren Zimmer kamen, das ihr nicht aufgefallen war. Es hing voller Familienfotos – offensichtlich seine eigenen – und sie musste sich zusammenreißen, um nicht mitleidig aufzuschreien, als sie die Armut sah, in der er aufgewachsen war.
In diesem Moment richtete sich ihr Blick auf das Gruppenfoto einiger Jungs im Teenageralter in T-Shirt und Jeans. Sie alle hatten die Arme verschränkt und starrten misstrauisch in die Kamera.
Sie entdeckte Cesare sofort – ihrem voreingenommenen Auge erschien er der Stärkste und Attraktivste der Gruppe. Aber wie jung er aussah – unglaublich jung. Und auch noch etwas anderes …
„Wie alt war er, als das Foto gemacht wurde?“, fragte sie zögerlich.
„Achtzehn.“
Achtzehn. Genauso alt war sie in jenem Sommer, als er in ihr Haus gekommen war und sie sich so verwirrt gefühlt und Angst gehabt hatte vor der Zukunft und all den Entscheidungen, die vor ihr lagen.
Und hier in Cesares Gesicht sah sie dieselbe Unsicherheit der Jugend – das Gefühl, auf einer Kante zu stehen und nicht zu wissen, ob man besser zurücktrat oder ins Ungewisse sprang. Hatte sie wirklich geglaubt, dass er niemals auch nur den Hauch einer Unsicherheit oder des Zweifels gespürt hatte – selbst als Teenager?
Als sie ihm zum ersten Mal begegnete, war er Mitte Zwanzig – souverän, sexy und äußerst selbstbewusst. Doch das war nur der äußere Schein.
Was lag darunter?
Indem sie seinen Heiratsantrag ablehnte, wusste sie, dass sie seinen Stolz verletzt hatte – aber wie stand es um sein Herz? Darüber hatte sie sich nie Gedanken gemacht, weil sie nur mit ihren eigenen Gefühlen beschäftigt gewesen war. Warum hatte sie ihm niemals zugestanden, dass auch er Gefühle hatte – Schmerz, Angst, Einsamkeit?
Sie hatte nie die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass es vielleicht eine Chance für sie hätte geben können, gemeinsam glücklich zu werden. Würde sie es sich jemals verzeihen, wenn sie auch jetzt nicht den Mut besäße, es herauszufinden?
Sie starrte das Foto des jugendlichen Cesare an und wusste, dass sie ihre Gefühle offenbaren musste, auch wenn sie sich der Gefahr aussetzte, zurückgewiesen zu werden. Dann würde die Trennung zumindest endgültig sein. Ein klarer Bruch. Ein furchtbarer Schmerz, von dem sie jedoch heilen würde. Danach wäre sie endlich frei von Bedauern um eine verpasste Möglichkeit.
Sie wandte sich zu Maceo um. „Danke“, sagte sie mit zitternder Stimme.
Dieser zuckte unbeteiligt mit den Schultern. „Ciao, bella“ , erwiderte er kühl.
Er mag mich nicht, dachte Sorcha unwillkürlich und fragte sich, was sie verbrochen haben könnte, das so unverzeihlich war. Doch sie ließ sich nicht von Maceos abweisender Haltung beirren. Sie würde das tun, was sie tun musste.
Von ihrem Handy aus rief sie den Flughafen
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