JULIA EXTRA BAND 0264
beim Anblick des Hauses kurz eine heftige Wärme, die nicht von der strahlenden Sonne herrührte.
London und die letzten neun Jahre waren ihm niemals so weit weg erschienen.
Gebaut worden war das Haus im neunzehnten Jahrhundert, als Perlen noch wertvoller gewesen waren als Gold und diejenigen, die mit ihren Booten hinaus zum Perlentauchen fuhren, die gleiche Macht besessen hatten wie Könige. Eine breite Veranda führte um das Haus herum. Ãppig blühende Bougainvilleen rankten sich an den Wänden empor, luden dazu ein, das luftige, kühle Innere zu betreten.
Das leere Innere.
Bitterkeit troff aus einer Wunde, die trotz der langen Jahre kaum zu heilen begonnen hatte. Seine Mutter hatte dieses Haus mit den knarrenden Holzböden und den hohen Decken geliebt. Die groÃen Fenster waren dazu gedacht, auch die leiseste Brise hereinwehen zu lassen. Und seine Mutter hatte den tropischen Garten geliebt, der immer drohte, zu einem Dschungel zu werden und das Haus zu vereinnahmen, wenn man ihn nicht ständig im Auge behielt.
Das Gefühl von Verlust wurde zu einem körperlichen Schmerz, verkrampfte seinen Magen und hinterlieà einen bitteren Geschmack. âWillkommen daheimâ, murmelte er gepresst.
âAlles in Ordnung mit Ihnen?â
Er registrierte ihre Worte mehr, als dass er sie hörte. Sie zogen ihn zurück in die Vergangenheit. âMein GroÃvater kaufte dieses Anwesen von einem der letzten groÃen Perlenmeister.â Sein Blick lag unverwandt auf dem Haus, während er die Geschichte wiedergab, die seine Mutter ihm so oft erzählt hatte. âLaurence war damals noch ein Kind. Die Perlmuttindustrie schrumpfte immer mehr, und GroÃvater steckte alles, was er hatte, in die neue Zuchtperlentechnologie. Er hatte den Traum, der erste Perlenfarmer einer neuen Generation zu werden.â
âEr hat seinen Traum verwirklichtâ, sagte Ruby leise. âIhr GroÃvater und Ihr Vater haben ein riesiges Erbe hinterlassen. Die Bastiani Pearl Corporation ist ein Vermögen wert.â
Ihre Worte schnitten wie ein Messer durch seine Gedanken, und er richtete seinen düsteren Blick auf sie. Was war mit diesen Frauen los, dass sie nur an Geld dachten? Mit Annelies war es das Gleiche gewesen. Bei ihrem letzten unerwarteten Treffen â zwei Tage, bevor Zane zu diesem hektischen und, wie sich soeben herausgestellt hatte, nutzlosen Rennen nach Australien angetreten war â hatte sie ihn mit ihren weiblichen Waffen überrumpelt, als sie wohl endlich langsam begriffen hatte, dass die Beziehung zu Ende war. Sie hatte das Tränenventil aufgedreht und sich bitterlich beschwert, dass Zane schlieÃlich ihrer gesamten Aufmerksamkeit zuteil geworden sei und sie für ihn unendlich viel aufgegeben habe.
Zane hatte nur gelacht. Selbst wenn, so hatte Annelies doch von der kurzen Liaison genügend profitiert, was ihr die Ãberbrückungszeit versüÃen sollte. Lange hatte sie sowieso nicht gebraucht, bis sie den Nächsten gefunden hatte. Ihr goldenes Haar und ihre Alabasterhaut hatten ihn fasziniert, bis er ihren wahren Charakter erkannt hatte. Jetzt war er frei von ihrem vereinnahmenden Wesen. Und hatte die Nase voll von allen anderen Goldgräberinnen.
âStimmt was nicht?â Rubys Frage machte klar, dass ihr seine durchdringende Musterung nicht gefiel.
Er nahm seine Tasche. âGehen wir hinein.â
Seine Augen brauchten etwas Zeit, um sich an das Licht im Innern des eleganten Bungalows zu gewöhnen. Zane sah sich um. Das Haus mochte vor über achtzig Jahren gebaut worden sein, doch seine Mutter hatte Wert darauf gelegt, bei jeder Renovierung über die Jahre dem jeweils neusten Stand gerecht zu werden und gleichzeitig den Stil des Hauses zu erhalten. Er lieà unmerklich die Luft aus den Lungen entweichen, als er wahrnahm, dass Rubys Anwesenheit keinen Einfluss auf die Handschrift seiner Mutter genommen hatte.
âIch habe Kyoto gebeten, Ihr ehemaliges Zimmer vorzubereiten.â Sie wandte sich ihm zu. âFalls Sie bleiben wollen. Ich hoffe, es ist Ihnen recht.â
Er konnte es kaum glauben. âKyoto ist noch hier?â Dass er überhaupt noch lebte! Der japanische Perlentaucher arbeitete schon seit Jahren für die Familie, erst als Koch, dann als Herr des Hauses. Als Zane noch ein Junge gewesen war, war Kyoto ihm schon wie ein alter Mann vorgekommen. âEr arbeitet doch sicherlich nicht mehr, oder?â
Ruby
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