JULIA EXTRA BAND 0269
blitzte es so ärgerlich auf, als hätte er sie mit der Frage beleidigt. Sie sieht so verdammt gut aus, dass ich, wenn ich Maler wäre, nicht wüsste, aus welcher Perspektive ich sie zeichnen sollte, dachte Jack. Hitze breitete sich in ihm aus, und er war überrascht über sein plötzliches heftiges Verlangen.
„Nein. Die Bilder, die ich male, sind unverkäuflich und nur für mich bestimmt.“
„Warum das denn?“ Jack sah sie mit seinen klaren blauen Augen betont gleichgültig an.
„Weil ich dann malen kann, was ich will. Die Bilder brauchen nur mir selbst zu gefallen. Ich male zu meinem eigenenVergnügen und weil ich mich dabei entspannen kann. Die Meinung anderer interessiert mich nicht.“
„Du wolltest dir als Künstlerin einen Namen machen.“
„Es reicht mir, den Laden zu haben und zu unterrichten.“
Er spürte ihre innere Abwehr. Immerhin malte sie immer noch, wenn auch nur für sich selbst. Und das war offenbar nicht das Einzige, was sie machte. Was damals geschehen war, schien ihr kaum etwas von ihrer Energie und ihrer Lebensfreude geraubt zu haben. Seltsamerweise störte ihn dieser Gedanke.
„Was unterrichtest du denn?“, fragte er nach kurzem Zögern.
„Kunst. Willst du noch mehr wissen? Ich habe viel zu tun.“ Ihre Stimme klang kühl.
Er runzelte die Stirn. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass du noch hier lebst“, wechselte er das Thema.
„Eine Zeit lang habe ich in London gelebt. Aber dann ist mein Vater gestorben und hat mir das Haus hinterlassen. Als ich herkam, um alles zu regeln, habe ich beschlossen, hierzubleiben. Ich liebe das Meer, das war schon immer so.“ Eigentlich wollte sie ihm gar nicht so viel erzählen, doch die Worte sprudelten wie von selbst über ihre Lippen. Sie war viel zu aufgeregt, was auch kein Wunder war, denn schließlich hatte sie diesen Mann eine halbe Ewigkeit nicht gesehen. Jetzt stand er vor ihr und wirkte in dem teuren Outfit erschreckend reif und anziehend. Er hatte nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dem schlanken jungen Mann, in den sie sich damals verliebt hatte und der von dem brennenden Wunsch erfüllt gewesen war, den schwierigen Verhältnissen, in denen er aufgewachsen war, zu entkommen und reich und erfolgreich zu werden. Während sie ihn aufmerksam ansah, gestand sie sich ein, dass er noch besser aussah als zuvor. Sein attraktives Äußeres und seine faszinierende Ausstrahlung konnten ihr immer noch gefährlich werden, sonst wäre sie nicht so nervös und würde sich auch nicht vor Sehnsucht nach ihm verzehren.
„Gibt es in deinem Leben auch einen Ehemann?“, fragte Jack mit gleichgültiger Miene, so als interessierte ihn die Antwort eigentlich gar nicht.
Ob er wohl verheiratet ist? Aber wenn, warum ist er dannzurückgekommen und quält mich?, schoss es ihr durch den Kopf.
„Nein. Und was ist mit dir? Hast du geheiratet?“, fragte sie zurück, um ihre Neugier zu befriedigen.
„Ich bin geschieden. Offenbar waren wir beide, du und ich, nicht erfolgreich, was eine dauerhafte Partnerschaft angeht“, erwiderte er und fügte zynisch hinzu: „Das überrascht mich nicht.“
Ihr Magen verkrampfte sich, so elend und unglücklich fühlte sie sich. „Warum tust du das, Jack? Du hast mich doch schon daran erinnert, dass du Small Talk hasst. Es war wirklich nicht nötig, zu mir zu kommen und die Vergangenheit heraufzubeschwören. Wir sollten sie ruhen lassen.“
Seine Miene verfinsterte sich, und Caroline glaubte, seine Verbitterung körperlich zu spüren. Offenbar bereute er, dass er sich entschlossen hatte, mit ihr zu reden. Zweifellos hatte er sie nie vermisst.
Jack zuckte mit den Schultern und ging zur Tür. Dann drehte er sich noch einmal zu Caroline um und sah sie spöttisch an. „Dein Vater ist gestorben? Entschuldige, aber es widerstrebt mir, dir mein Beileid auszusprechen und so zu tun, als wäre ich betroffen“, erklärte er und verschwand.
Als Caroline später das alte viktorianische Haus betrat, das ihr Vater ihr hinterlassen hatte und in das sie vor fünf Jahren wieder eingezogen war, wollte sich die Freude, die sie normalerweise beim Heimkehren empfand, nicht einstellen. Während sie die Eingangshalle mit dem Marmorfußboden und dem antiken Schrank durchquerte, hatte sie plötzlich das Gefühl, es sei nicht ihr Zuhause. Jacks sarkastische und abfällige Bemerkung beim Verlassen des Geschäfts beschäftigte sie immer noch.
Natürlich konnte sie ihm nicht verübeln, dass er über den Tod ihres Vaters nicht betroffen war.
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