JULIA EXTRA BAND 0269
auch entsprechende Fotos aus Zeitschriften ausschneiden. Ich habe noch einen ganzen Stapel davon zu Hause und bringe sie dir am Freitag mit in den Unterricht, wenn du möchtest.“
Sadie lächelte erfreut. „Würden Sie das tun? Das wäre fein. Meine Mutter liest keine Zeitschriften, und ich habe kein Geld, mir selbst welche zu kaufen.“
„Im Hinterzimmer meines Ladens habe ich auch noch eine Menge Material, das ich nicht mehr brauche. Du kannst es haben, wenn du willst. Es reicht für einige wunderschöne Collagen“, schlug Caroline vor.
„Das ist sehr nett von Ihnen, Miss Tremayne.“
„Du sollst mich Caroline nennen.“
„Okay. Dann bis Freitag in der Schule.“
„Ja.“ Caroline strich dem Mädchen eine Strähne des kastanienbraunen Haares aus dem ernsten Gesicht. „Wenn du jemandenzum Reden brauchst, ich bin für dich da.“ Sie wusste natürlich, dass eine zu freundschaftliche private Beziehung zwischen Lehrern und Schülern nicht gern gesehen wurde. Doch Caroline hatte nie vergessen, wie einsam und verlassen sie sich als Kind und Teenager gefühlt hatte. Außer ihrem Vater hatte sie niemanden gehabt. Sie war davon überzeugt, dass jeder manchmal einen Menschen brauchte, mit dem er reden konnte und der ihm half. Sadie Martin strahlte jedenfalls etwas aus, was an Carolines Herz rührte.
„Danke.“
Als Sadie weg war, dachte Caroline darüber nach, wie schwierig es war, einer Sechzehnjährigen zu mehr Selbstbewusstsein zu verhelfen. Es ist ja sogar für mich mit meinen vierunddreißig Jahren nicht immer leicht, selbstbewusst aufzutreten, gestand sie sich ein.
Jack wanderte ziellos umher, um sich mit seiner Heimatstadt wieder vertraut zu machen. Als er die Hauptstraße verließ und durch die schmalen Seitengassen ging, entdeckte er plötzlich das Schild „Carolines Paintbox“ über einem Laden. Sein Puls beschleunigte sich, und er wusste instinktiv, dass die Besitzerin des Geschäfts die Frau war, die seit siebzehn Jahren in seinen Träumen herumspukte. Er blickte durch das Schaufenster und sah, dass Caroline gerade eine Kundin bediente.
Ehe ihm bewusst wurde, was er tat, hatte Jack schon die Tür geöffnet und den Laden mit den vielen Bildern, der großen Auswahl an Farben, Buntstiften, Leinwänden und anderem Zubehör für Künstler betreten.
Nachdem die Kundin, eine elegante Frau mittleren Alters, bezahlt hatte, verließ sie den Laden und warf Jack im Vorbeigehen ein Lächeln und einen bewundernden Blick zu. Doch beides prallte an ihm ab, er nahm es kaum wahr. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Caroline, die ihm den Rücken zukehrte.
„Moment, ich bin gleich so weit“, sagte sie und räumte einige Bogen Papier weg. Schließlich drehte sie sich lächelnd um, aber sogleich erstarrten ihre Gesichtszüge.
„Bist du gekommen, um mich noch mehr zu beleidigen und zu verletzen?“, fragte sie steif und verschränkte die Arme.
„Ich bin zufällig vorbeigekommen und habe das Schild gesehen.Ich wollte mich nur vergewissern, dass es dein Geschäft ist“, antwortete er, ohne sie anzublicken. Stattdessen betrachtete er interessiert das reichhaltige Angebot. Hier gab es alles, was sich Maler und andere Künstler für ihre Arbeit nur wünschen konnten. War das alles, was sie aus ihrer Begeisterung für Kunst und ihrem Talent gemacht hatte? Irgendwie kam es ihm nicht richtig vor. Er konnte sich noch gut daran erinnern, dass sie unbedingt Künstlerin hatte werden wollen. Nie hatte sie vorgehabt, anderen Leuten Zubehör für ihre Hobbys zu verkaufen.
Sie hatte so viele Ideen und Träume gehabt, was sie nach dem Kunststudium machen wollte. Ihr hatte vorgeschwebt, sich in einem herrlichen Atelier mit Blick auf einen der Londoner Parks zu wunderschönen Bildern inspirieren zu lassen, die sie in Galerien ausstellen wollte. Sie hatte gehofft, viele ihrer Arbeiten zu verkaufen und sich einen Namen zu machen.
Jack war fest davon überzeugt gewesen, sie würde ihre Ziele erreichen. Ihre hinreißende Schönheit und ihre Lebensfreude hatten ihn zutiefst beeindruckt. Seine Mutter hatte ihn jedoch immer gewarnt, Caroline würde ihm das Herz brechen. Leider hatte sie recht gehabt.
„Nimm dir ruhig Zeit, und schau dir alles an“, forderte sie ihn spöttisch auf. „Aber mich musst du entschuldigen, ich habe zu arbeiten.“
„Hast du die Bilder selbst gemalt, die hier hängen?“, fragte er ungerührt. Mit einer Kopfbewegung wies er auf die Gemälde hinter ihm.
Sie hob den Kopf, und in ihren dunklen Augen
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