JULIA EXTRA BAND 0269
anderer Mensch. Alle hier waren überzeugt gewesen, er würde so enden wie sein Vater. Aber jetzt war er Multimillionär und ein überaus angesehener Unternehmer. Er besaß mehrere Firmen und hatte in der Geschäftswelt einen guten Ruf. Man schätzte ihn wegen seiner Integrität und seiner Menschlichkeit, und man bewunderte ihn wegen seiner Disziplin und seines Ehrgeizes. Von allen Seiten wurde ihm Anerkennung zuteil, und vor einem Jahr war er in New York zum Unternehmer des Jahres gewählt worden.
Die Schande darüber, dass sein alkoholsüchtiger Vater die Familie verlassen hatte und seine Mutter von Medikamenten abhängig geworden war, die ihr der Arzt verschrieben hatte, damit sie das ganze Elend, in dem sie leben musste, besser ertragen konnte, hatten ihn in seiner Kindheit und Jugend nie losgelassen. Doch sein Erfolg und seine glänzende Karriere hätten die Erniedrigungen der Vergangenheit wettmachen sollen. Die Begegnung mit Caroline heute hatte Jack jedoch daranerinnert, dass er für sie nicht gut genug gewesen war. Lieber hatte sie ihr Kind abtreiben lassen, als es gemeinsam mit ihm großzuziehen. Das trübte seine Freude darüber gewaltig, nach Hause zu kommen und allen beweisen zu können, wie sehr sie sich in ihm getäuscht hatten. Das erhoffte Triumphgefühl wollte sich nicht einstellen.
Aber er hatte zu lange auf diesen Tag hingearbeitet und empfand tiefe Genugtuung darüber, dass er das Haus hatte kaufen können. Es hatte einmal seinen Eltern gehört, doch weil sie die Raten für die Hypothek nicht mehr hatten bezahlen können, war es versteigert worden. Die Stadtverwaltung hatte Jack und seiner Mutter eine ziemlich schäbige Wohnung am Stadtrand zugewiesen. Dort waren sie nie glücklich geworden, hatten sich sehr geschämt, und die schwierige Situation hatte zweifellos dazu beigetragen, dass seine Mutter viel zu früh gestorben war. Jetzt gehörte das Haus ihm. Er wollte es von Grund auf renovieren lassen. Es sollte das exklusivste Gebäude weit und breit werden und alle anderen Häuser in den Schatten stellen. Nur so konnten die Erinnerungen an die damals erlittene Schmach ausgelöscht werden und in Vergessenheit geraten. Leider hatte seine Mutter nicht lange genug gelebt, um sich mit ihm freuen zu können.
Als er vor sechs Monaten nach seinem Herzanfall im Krankenhaus gelegen hatte, war der Plan in ihm gereift. Doch wie sollte er damit umgehen, dass die Frau, die ihm vor siebzehn Jahren das Herz gebrochen hatte, noch hier in der Stadt oder in der näheren Umgebung wohnte? Damit hatte er nicht gerechnet, und es machte die Sache komplizierter.
„Verdammt!“, stieß er zornig hervor. Dann startete er den Motor und fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit weiter, so als könnte er dadurch seiner eigenen Vergangenheit entfliehen.
„Ich habe mir vorgestellt, eine Collage aus Schmetterlingen …“
„Entschuldige, was hast du gesagt?“ Schuldbewusst strich sich Caroline das Haar aus dem Gesicht und zwang sich, ihre Aufmerksamkeit auf den Teenager vor ihr zu konzentrieren. Sadie Martin, ein scheues unsicheres Mädchen, kam regelmäßig in den Laden. Caroline hatte sie in der Schule kennengelernt,an der sie einmal in der Woche Kunstunterricht erteilte.
„Ich wollte eine Collage aus Schmetterlingen machen. Ich finde sie so schön und habe mir einige Bücher darüber ausgeliehen.“ Sadie errötete und seufzte so wehmütig, als wäre ihr Wunsch, etwas Schönes zu kreieren, unerfüllbar.
Caroline hatte Verständnis für das Mädchen, denn sie wusste, was es bedeutete, Träume zu haben, die nicht in Erfüllung gehen konnten. Sie hatte damals davon geträumt, mit Jack für immer zusammen zu sein, doch daraus war nichts geworden. Jetzt war Jack zurückgekommen, und sie fing schon wieder an zu träumen. Nur war dieses Mal von Anfang an klar, dass es kein Happy End geben konnte. Er empfand nichts mehr für sie, das war völlig klar. Es war ihm sogar schwergefallen, sie anzusehen und kurz mit ihr zu reden.
Den ganzen Morgen hatte Caroline darüber nachgedacht, warum er wieder hier war. Wollte er länger hierbleiben? Und würde er sie jedes Mal, wenn sie sich zufällig begegneten, ignorieren? Es ließ sich kaum vermeiden, dass sie sich ab und zu über den Weg liefen. Aber es wäre schrecklich, wenn er sie noch einmal so verächtlich behandelte.
Sie verdrängte die bedrückenden Gedanken und lächelte Sadie freundlich an. „Es ist eine gute Idee, Bücher über Schmetterlinge zu lesen. Du kannst dir aber
Weitere Kostenlose Bücher