JULIA EXTRA BAND 0272
er nicht bald zurückkehren, würde sie ihn wohl schriftlich darüber in Kenntnis setzen müssen, bevor er es von einem Anwalt erfuhr. Sie hatte sogar schon einmal geübt und ihm eine Nachricht in Washington hinterlassen. Nicht,dass sie mit seiner Rückkunft rechnete. Ihm war es wichtiger, aus irgendwelchen Krisengebieten zu berichten, als mit seiner Frau Weihnachten zu feiern.
„Cath?“, rief Jake, sobald er die Haustür hinter sich geschlossen hatte. Er war müde von der langen, chaotisch verlaufenen Reise, auf der ihm lediglich ein Flugzeugabsturz erspart geblieben war. Vielleicht hatte die Schicksalsgöttin ihm so bedeuten wollen, dass er nicht in die Staaten hätte fliegen sollen. Aber Caths E-Mails in der letzten Zeit waren beunruhigend gewesen. Sie hatte ihm fast befohlen zurückzukommen.
Offenbar war sie nicht da, denn von nirgendwo hörte er eine Antwort. Vermutlich war sie beim Einkaufen oder bei Abby, um mit ihr und den Kindern Plätzchen zu backen. Es war ihm recht, wenngleich das Haus ohne sie leer und kalt wirkte. Doch so konnte er kurz duschen und sich etwas hinlegen und würde danach wieder frisch sein.
Auf dem Weg nach oben warf er im Vorübergehen einen Blick ins Wohnzimmer und bemerkte auf dem Kaminsims einen Umschlag mit seinem Namen darauf. Angst erfasste ihn, und er ließ den Matchsack fallen. In all den Jahren hatten die gefährlichen Einsätze seine Sinne geschärft. Er durfte dieses Gefühl nicht ignorieren.
Entschlossen durchquerte er den Raum und sah wenig später starr auf den weißen Briefbogen in seiner Hand. Cath wollte ihre Ehe beenden. Sie war weg, hatte ihn verlassen. Das Haus wirkte nicht ohne Grund leer und kalt. Die Seele war daraus verschwunden.
Jake las ihre Worte erneut, als könnte er sie dadurch ändern. Sie blieben die gleichen und prägten sich ihm unauslöschlich ein. Ihm war entsetzlich zumute, und die Zeilen begannen, vor seinen Augen zu verschwimmen. Die Frau, die er über alles liebte, liebte ihn nicht genug, um weiter ihr Leben mit ihm zu teilen.
Er zerknüllte das Papier und drehte sich um. Ja, es war seine Schuld. Er hatte sich in den letzten Monaten absichtlich in der Ferne aufgehalten, als hätte er Caths inneren Wandel gespürt und etwas Derartiges befürchtet. Wieso hatte er geglaubt, sie würde einen solchen Schritt nicht unternehmen,ohne vorher mit ihm zu diskutieren? Sie wollte immer alles besprechen, bis in kleinste Detail.
Wenn er es sich recht überlegte, hatte sie in den vergangenen Wochen genügend Andeutungen gemacht, die er hätte verstehen sollen. Unbewusst hatte er dies vielleicht auch getan. Warum hatte er sonst seine Pläne geändert und war nach Hause zurückgekehrt? Verdammt, nun war er da, und wo war sie?
Er stürmte die Treppe hinauf ins Schlafzimmer, riss die Tür des Wandschranks auf und atmete erleichtert auf. Ihre Sachen waren noch da, zumindest größtenteils. Eilig marschierte er ins Bad und sah nach, was dort fehlte. Allem Anschein nach wollte Cath nur für kurze Zeit wegbleiben. Also würde er auf sie warten.
Nein, du wirst nicht tatenlos hier herumsitzen und sie gewähren lassen, dachte er, während er langsam nach unten zurückging. Er würde sie zur Rede stellen. Allerdings musste er sie dazu erst einmal finden. Bestimmt konnte ihre beste Freundin Abby ihm sagen, wo sie war.
Er schlug die Nummer im Telefonbuch nach und tippte die Zahlen in den Apparat ein.
„Hallo?“
„Abby?“
„Ja?“
„Hier ist Jake. Hast du eine Ahnung, wo Cath ist?“
„Wo bist du?“
„Zu Hause.“
„Sie meinte, du würdest über Weihnachten nicht heimkommen.“
„Ich wollte sie überraschen. Nur ist ihr das zuerst gelungen.“
„Was soll das heißen?“, fragte Abby vorsichtig.
„Sie hat mir einen Brief geschrieben.“
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.
„Wo ist sie, Abby?“
„Es ist vorbei, Jake. Sie hat die ganzen letzten Monate mit sich gerungen. Lass sie gehen.“
„Den Teufel werde ich. Wo ist sie?“
„Hätte sie gewollt, dass du es weißt, hätte sie es dir mitgeteilt. Ich kann dir nicht helfen, Jake.“
Abby hatte aufgelegt, und er knallte den Hörer fluchend auf den Apparat zurück. Da Cath einige Sachen zusammengepackt hatte, war sie wohl nicht bei ihrer Freundin, denn diese wohnte nur zehn Autominuten von hier entfernt. Doch wohin war sie gefahren?
Zu Tante Sallys Haus, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Sie hatte es ihm gegenüber einmal als Zufluchtsort bezeichnet. Entschlossen hob
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