JULIA EXTRA BAND 0274
sich ab. „Dann gehe ich jetzt packen. Wenn Sie vielleicht den Koffer mit Scotts Weihnachtsgeschenken unauffällig von meinem in Ihr Auto verladen könnten …“
Er lachte. „Bekommen Sie es mit der Angst zu tun, Meg?“
Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, ging sie auf ihr Zimmer. Wenn er sie verspotten wollte – bitte. Sie hatte sich noch nie den Anschein gegeben, cool oder weltgewandt zu sein, es lag nicht in ihrer Natur. Und seit es Scott in ihrem Leben gab, hatte sie für Männer und irgendwelche Eskapaden keine Zeit mehr. Abgesehen von ihrer Arbeit und einer gelegentlichen Tasse Kaffee mit einer anderen jungen Mutter aus ihrem Bekanntenkreis verbrachte sie jede freie Minute mit ihrem Sohn. Natürlich war sie als Studentin öfter ausgegangen, doch keiner ihrer Freunde von damals ließ sich auch nur entfernt mit Jed Cole vergleichen. Er war so viel älter und erfahrener, einem Mann wie ihm war sie noch nie begegnet.
Nicht, dass ihr etwas an ihm lag. Er weckte ihre Leidenschaft, ihre Reaktion auf seinen Kuss bewies das ganz deutlich. Und wer weiß, was sonst noch passiert wäre, hätte Scott sie nicht rechtzeitig unterbrochen …
Und nun wollte Jed sie nach Winston fahren. Das bedeutete, sie musste ihn mit ihrer Familie bekannt machen – etwas, das sie lieber vermieden hätte. Nach dem gestrigen Abend wusste er schon zu viel über die Hamiltons und ihre Probleme. Doch sie hatte keine andere Wahl. Sie konnte nicht erwarten, dass er Scott und sie an der Haustür absetzte und sofort umdrehte und zurückfuhr. Zumindest musste sie ihm eine Tasse Kaffee anbieten.
Wenn sie es sich recht überlegte, so war es ein geringer Preis dafür, dass sie und ihr Sohn ans Ziel kamen.
Eine halbe Stunde später war sie sich dessen nicht mehr so sicher. Auf dem vereisten Weg vom Cottage zur Landstraßehatte Jed alle Mühe, dass der Landrover nicht ins Schleudern geriet und in einer der meterhohen Schneewehen landete. Grimmig konzentrierte er sich aufs Fahren, während Meg mit geballten Fäusten kerzengerade auf dem Beifahrersitz saß. Keiner sprach. Scott lag auf dem Rücksitz. Er schlief und merkte nichts von der Gefahr – das Schneemannbauen hatte ihn müde gemacht.
Als sie endlich die Straße erreichten, atmete Meg erleichtert auf und lehnte sich zurück. Jetzt verstand sie, warum Jed darauf bestanden hatte, sie nach Hause zu bringen: Ohne ihn und den Landrover hätten sie es nie geschafft. Als sie die Fäuste entspannte, entdeckte sie rote Halbmonde, die ihre Fingernägel auf den Handflächen hinterlassen hatten. „Uff, das wäre geschafft.“
Für sie, aber nicht für ihn. Er hatte die Rückfahrt noch vor sich.
„Jetzt sieht es schon besser aus“, meinte sie.
„Etwas.“
Nach plaudern war ihm offensichtlich nicht zumute, und das war ihr nur recht, denn je mehr sie sich ihrem Elternhaus näherten, umso nervöser wurde sie.
Wäre sie doch nur in London geblieben! Sie bezweifelte nicht eine Sekunde, dass sie und Scott nie eingeladen worden wären, hätte ihr Vater nicht vor zwei Wochen einen Herzinfarkt erlitten.
Ein Herzinfarkt!
Angeblich handelte es sich nur um einen leichten Anfall. Meg erfuhr es erst, als ihre Mutter letzten Sonntag anrief, um Scott und sie nach Winston zu bitten. Auf ihre erregte Frage, warum man ihr das erst jetzt mitteilte, erwiderte ihre Mutter lediglich: „Warum sollte ich dich beunruhigen – du hättest doch nichts tun können.“
Ihre Mutter … Meg hatte sie noch nie verstanden. Sie war so kalt, so distanziert, ganz anders als ihr Vater, mit dem sie seit ihrer Kindheit eine tiefe Zuneigung verband, obwohl er damals fast nur am Wochenende zu Hause war: Aufgrund seiner Tätigkeit als Regierungsbeamter verbrachte er die meiste Zeit in London. Als Sonia und sie dann mit dreizehn ins Internat kamen, sah sie ihn nur noch während der Ferien.
Das änderte nichts an der Tatsache, dass er ihr schon immer,auch heute noch, viel näherstand als ihre Mutter. Umso mehr kränkte es Meg, dass diese es nicht für nötig befunden hatte, sie über die Krankheit ihres Vaters zu informieren.
Jed täuschte sich nicht – sie war, damals wie heute, das schwarze Schaf der Familie. Als Kind hatte sie oft überlegt, dass man sie bei der Geburt vertauscht haben musste, dass ihre Mutter nicht wirklich ihre Mutter war. Und gäbe es nicht Sonia, ihre Zwillingsschwester, so würde sie das auch jetzt noch vermuten …
„Dort vorn ist Winston“, riss Jed sie aus ihren Erinnerungen. „Sie müssen mir
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