JULIA EXTRA BAND 0274
geschüttelt – was natürlich nicht ging. Aber wenigstens hatte er sie aus dem Gleichgewicht gebracht.
Leider war ihm das auch bei Meg gelungen. Ein verstohlener Blick in ihre Richtung bewies, dass sie keineswegs glücklich aussah. Sie starrte ihn an, als wäre er ein Fremder.
In gewissem Sinne war er das wohl auch – nicht länger Jed, sondern Jerrod Cole.
Aber, verdammt noch mal, warum hätte er ihr mitteilen sollen, wer er war, nachdem sie ihn nicht erkannt hatte? Er war in England, weil er anonym bleiben wollte! Würde sie das verstehen? Der kriegerische Funke in ihren Augen ließ ihm wenig Hoffnung.
Abrupt gab er Lydia Hamiltons Hand frei. „Mir wäre eslieber, wenn Sie in mir nur den Freund Ihrer Tochter sehen“, sagte er ruhig.
„Den Freund meiner … Selbstverständlich.“ Nun war sie völlig durcheinander.
„Wollen Sie uns nicht hineinbitten, Lydia? Es wird langsam feucht.“ Er zeigte auf den Schnee, der inzwischen wieder in dichten Flocken vom Himmel fiel.
„Natürlich.“ Sie machte einen Schritt zur Seite, Meg zögerte eine Sekunde, dann betrat sie, Scotts Hand fest in ihrer, ihr Elternhaus.
Jed warf einen Blick auf das schweigsame Kind, und seine Abneigung gegen Lydia Hamilton verwandelte sich in Wut. Wie konnte sie dem Kleinen gegenüber so gleichgültig sein? Er war so ein niedlicher Junge und ihrer Tochter wie aus dem Gesicht geschnitten. Irgendetwas musste sie doch fühlen!
Anscheinend irrte er sich.
Jed schätzte sie auf Anfang sechzig. Sie gehörte zu dieser Art Frauen, die zu jeder Tageszeit elegant gekleidet und sorgfältig zurechtgemacht waren. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemals mit ihren Töchtern auf dem Teppich gesessen und gespielt hatte, so wie Meg mit Scott gestern Abend im Cottage.
Inzwischen hatte sie auch ihre Selbstsicherheit wieder gefunden. „Bitte, kommen Sie ins Wohnzimmer, Mr. Cole“, sagte sie lächelnd. „Ich möchte Sie mit meinem Gatten bekannt machen.“
Jed ignorierte sie und bückte sich, um den völlig verschüchterten Scott auf den Arm zu nehmen. „Schau mal, ein Weihnachtsbaum.“ Sie durchquerten die riesige Eingangshalle, bis sie vor der prunkvoll geschmückten, gut zweieinhalb Meter hohen Tanne standen.
Scotts Augen glänzten. Während er die vielen Kerzen und schimmernden Kugeln bewunderte, lauschte Jed mit einem Ohr der Unterhaltung zwischen den beiden Frauen, die am Eingang stehen geblieben waren.
„Warum hast du mir nichts gesagt, Margaret?“, zischte Lydia leise. „Ich komme mir so lächerlich vor, dass ich nicht wusste, wer der Mann ist.“
Meg ließ sich Zeit mit der Antwort. „Jed legt Wert darauf, anonym zu bleiben“, erwiderte sie schließlich.
„Das ist verständlich. Nur … wie soll es weitergehen?“
„Wie meinst du das? Er bleibt doch n…“
„Lydia? Ist das Meg?“
Beim Klang einer männlichen Stimme drehte Jed sich um – gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Megs blasses Gesicht aufleuchtete. Dann lief sie dem hochgewachsenen weißhaarigen Mann, dessen Augen ebenso grün waren wie ihre, entgegen und warf ihm die Arme um den Hals.
„Daddy!“
Sacht stellte Jed den Jungen auf die Füße. Das also war Megs Vater. Wenigstens eine Person gab es in diesem Haus, die sich über ihre Ankunft freute. Dann sagte er sich, dass dieser Mann seine Tochter und seinen Enkel ebenso vernachlässigt hatte wie seine Frau.
Er musterte ihn kritisch. David Hamilton war noch immer ein gut aussehender Mann, und die Ähnlichkeit zwischen ihm und seiner Tochter war unverkennbar. Nur zeigte sein Gesicht eine ungesunde Blässe, und die lose sitzende Kleidung ließ vermuten, dass er in letzter Zeit an Gewicht verloren hatte. Seine Krankheit war wohl der Grund dafür, dass Meg und Scott Weihnachten hier verbrachten; Jed glaubte kaum, dass Lydia die beiden eingeladen hatte, weil sie ihre Tochter wiedersehen und ihren Enkel kennenlernen wollte.
Er spürte, wie der Kleine an seinem Hosenbein zupfte, und beugte sich zu ihm hinab. „Ist das mein Grandpa, Jed?“, frage er schüchtern. In dem hohen Raum hallte seine dünne Stimme wie in einer Kirche.
David Hamilton straffte die Schultern, dann löste er sich aus Megs Umarmung und sah zu dem Mann und dem Jungen hinüber. Unwillkürlich legte Jed eine Hand auf Scotts Schulter. Lydias Verhalten war schlimm genug, und er war bereit, das Kind vor einer ähnlichen Behandlung zu schützen, auch auf die Gefahr hin, mit einem kranken Mann aneinanderzugeraten. Seine Befürchtungen waren
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