JULIA EXTRA BAND 0274
Grandpas Haus.“
„Das ist aber groß“, sagte er eingeschüchtert.
„Nur von außen“, erwiderte sie tröstend. „Drinnen gefällt es dir bestimmt besser.“ Zumindest hoffte sie es.
Sie hätte ihn auf diese erste Begegnung mit seinen Großeltern gründlicher vorbereiten sollen. Aber wie erklärte man einem Dreijährigen, dass seine Grandma eine hochmütige Frau war, sein Grandpa zu nachgiebig und Tante Sonia … Meg hatte nicht den leisesten Schimmer, was sie Scott von ihrer Schwester erzählen sollte. Insgeheim betete sie, dass er in seiner kindlichen Unschuld die Spannungen zwischen den Erwachsenen nicht bemerken würde.
„Komm“, sagte sie, stieg aus und hob ihren Sohn aus dem Wagen. Sie nahm Scott bei der Hand und ging mit klopfendem Herzen auf die schwere Eichentür zu. Jed folgte ihnen.
„Kopf hoch, Meg“, murmelte er. „Vielleicht ist alles nur halb so schlimm.“
Kaum – er hatte ja keine Ahnung. Sie drückte auf den Klingelknopf neben der Tür.
„Sie klingeln bei Ihren Eltern?“, fragte er erstaunt.
„Äh … ja.“ Auf der Farm ging es vermutlich lockerer zu.
Von innen vernahm man das Klicken von Absätzen auf den Fliesen. Megs Finger krampften sich um Scotts kleine Hand,dann straffte sie die Schultern, um ihrer Mutter entgegenzutreten.
Die Tür ging auf. „Ich dachte nicht, dass du so früh zurück bist, Son…“
Lydia Hamilton verstummte. „Margaret!“ Sie runzelte die Stirn. „Wolltest du nicht anrufen, bevor du kommst?“
„Ich … ich weiß.“ Bei der überstürzten Abfahrt hatte sie das völlig vergessen.
Nicht, dass ihre Mutter eine Vorankündigung benötigte. Wie üblich war das dunkle Haar makellos frisiert, das Gesicht sorgfältig geschminkt. Sie trug einen cremefarbenen Kaschmirpullover und einen schmalen schwarzen Rock, der ihre schlanke Figur perfekt zur Geltung brachte.
Aus den Augenwinkeln warf Meg einen Blick auf Jeds verständnisloses Gesicht: „Margaret“ sagte ihm natürlich nichts. Sie selbst konnte den Namen nicht ausstehen, weshalb sie im Alter von acht Jahren verkündet hatte, von nun an Meg zu heißen, so wie die Heldin in einem ihrer Lieblingsbücher. Worauf sie auch jeder Meg nannte – mit Ausnahme ihrer Mutter.
„Es tut mir leid, aber heute Morgen ging alles so schnell, da …“
„Das Versehen war meine Schuld, Mrs. Hamilton“, unterbrach Jed kühl und trat einen Schritt vor.
Wenn er erwartet hatte, sein Eingeständnis würde Lydia freundlicher stimmen, so wurde er enttäuscht. Sie musterte ihn kalt, und der Ausdruck ihres Gesichts wurde noch eine Spur arroganter. Meg wäre einmal mehr am liebsten im Erdboden versunken. Das war viel schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatte. Wäre sie doch nie gekommen!
„Jed“, begann sie steif, „das ist meine Mutter, Lydia Hamilton. Mutter, das ist …“
„Jerrod Cole“, fiel er ihr harsch ins Wort und reichte Lydia die Hand. „Es freut mich, Sie kennenzulernen.“
Mit Mrs. Hamilton ging eine bemerkenswerte Veränderung vor: Ihr Gesicht wurde um einige Schattierungen blasser, die Kälte in ihren Augen verschwand, und an ihre Stelle trat ein Ausdruck ungläubigen Staunens.
„Jerrod Cole?“, wiederholte sie unsicher. „Der Autor des Romans ‚Das Rätsel‘?“
„Kein anderer. Ich fühle mich geschmeichelt, dass Sie von mir gehört haben, Lydia.“
Wie versteinert starrte Meg ihn an.
Jerrod Cole?
Jed war Jerrod Cole?
Natürlich hatte ihre Mutter von ihm gehört! Wer hatte das nicht?
Seit neun Monaten führte sein Buch „Das Rätsel“ alle Bestsellerlisten an, und es wurde bereits an der Verfilmung gearbeitet.
Unmöglich! Es musste einen zweiten Jerrod Cole geben, Jed konnte nicht mit dem Schriftsteller identisch sein.
Und wenn er es doch war?
Er hatte wirklich nicht beabsichtigt, Meg so unvorbereitet mit der Wahrheit zu überfallen. Meg oder Margaret? Der Name passte überhaupt nicht zu ihr, aber das spielte im Moment keine Rolle. Eigentlich wollte er ihr überhaupt nicht sagen, wer er war. Aber der Empfang, den Lydia ihrer jüngeren Tochter bereitet hatte, war mehr, als er ertragen konnte. Er musste dieser kalten Arroganz einfach einen Dämpfer aufsetzen. Und das war ihm auch gelungen.
Zum ersten Mal empfand Jed auf Anhieb eine sofortige Abneigung gegen einen Menschen. Diese Frau hatte nicht ein Wort, nicht einmal ein Lächeln für ihren kleinen Enkel übrig, dem sie zum ersten Mal begegnete. Am liebsten hätte er sie bei den eleganten Schultern gepackt und
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