JULIA EXTRA BAND 0274
hinterlassen würde, wenn er nicht mehr da war.
Das bedeutete … Meg spürte, wie sie erblasste, und den Bruchteil einer Sekunde blieb ihr das Herz stehen. Sie hob das Gesicht und starrte ihn an.
Sie war im Begriff, sich in Jed Cole zu verlieben. Wenn es nicht schon passiert war …
Ach du lieber Gott!
Einen ungeeigneteren Mann als diesen achtunddreißig Jahre alten Junggesellen aus Überzeugung, der von sich behauptete, ein Vagabund zu sein, hätte sie sich nicht aussuchen können. Sie hatte schon manche Unbesonnenheit begangen, doch das war mit Abstand die größte.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte Jed, als er bemerkte, wie blass sie plötzlich war.
Nichts stimmte mehr, ihre Welt stand kopf, weil sie nicht aufgepasst und sich in diesen Mann verliebt hatte.
Doch das war ihre Angelegenheit, es ging niemanden etwas an. Und sie würde darüber hinwegkommen, wenn sie erst wieder in London war und Jed nicht mehr begegnen musste …
Sie schüttelte den Kopf. „Mir fehlt nichts, außer ein bisschen Schlaf. Sonia hat recht – frische Luft wird uns guttun.“
„Apropos Sonia: Ich habe den Eindruck, dass ihr euch besser versteht, oder täusche ich mich?“
Meg wünschte, sie könnte sich ihm anvertrauen, ihn um Rat bitten. Aber Sonia und sie hatten geschworen, ihr Geheimnis zu wahren, und daran würde sie sich auch halten. Sonst würden Unschuldige die Konsequenzen tragen müssen.
„Nein“, sagte sie, „du täuschst dich nicht. Wir verstehen uns besser.“
„Das freut mich.“ Er nickte beifällig, machte jedoch keine Anstalten, in sein Zimmer zu gehen.
„Ich glaube, wir sollten uns beeilen“, murmelte Meg schließlich. „Die anderen warten auf uns. Du weißt, du sollst den Schlitten ziehen.“
Er lachte. „Das Gesicht, das Scott gemacht hat, als er sah,was in der Kiste war – herrlich!“
Darauf erwiderte sie nichts. Die Vorstellung, Sonia könne ihren Sohn von nun an mit teuren Geschenken überhäufen, behagte ihr überhaupt nicht. Aber vielleicht tat sie ihrer Schwester unrecht, es war schließlich Weihnachten.
„Sonia möchte mehr als bisher an Scotts Leben teilhaben.“ Sie biss sich auf die Lippen. Warum erzählte sie ihm das?
„Stört es dich?“
Sie atmete tief ein. „Nein, natürlich nicht. Nichts geht über eine glückliche Familie.“
Der Anflug von Sarkasmus war nicht zu überhören. Jed runzelte die Stirn. „Was willst du …“
„Wir sollten uns wirklich beeilen“, unterbrach sie ihn hastig, ging in ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Alles war anders gekommen als erwartet. Ihr Vater war nicht mehr derselbe, ihre Schwester wollte sich mit ihr versöhnen, und als wäre das nicht genug, musste sie ausgerechnet Jerrod Cole begegnen und sich in ihn verlieben.
„Kann ich Ihnen helfen?“ Jed blieb stehen und wartete, bis Lydia nachkam. Meg und Scott, die den Schlitten zogen, und Sonia, die von hinten anschob, hatten die Spitze des Hügels fast erreicht. David und Jeremy mit seinem verstauchten Knöchel waren unten geblieben, um das Gefährt bei der Ankunft zu bremsen.
Dass Lydia Hamilton an der Expedition teilnahm, überraschte ihn. Er hatte erwartet, dass sie zu Hause bleiben und vom Fenster aus zuschauen würde.
„Danke, Jed.“ Erleichtert nahm sie seinen Arm; ihre modischen Stiefel waren kaum das passende Schuhwerk für den vereisten Pfad. „Als die Mädchen klein waren, ging David oft mit ihnen Schlitten fahren“, bemerkte sie etwas steif.
„Sie nicht?“
„Nein, ich bin daheim geblieben und habe sie mit heißem Kakao empfangen, wenn sie zurückkamen.“ Ein Hauch von Wehmut schwang in ihrer Stimme, als vermisse sie jene unbeschwerte Zeit.
„Aber heute sind Sie mit dabei.“ Er musterte sie verstohlen. Vielleicht hatte er sie falsch beurteilt; vielleicht verbargen sich hinter der kalten Maske doch ein paar Gefühle,und sie konnte sie nur nicht zeigen. Plötzlich sah er in ihr eine einsame Frau, die sich aus irgendeinem Grund selbst zur Außenseiterin ihrer Familie gemacht hatte.
Doch das bildete er sich wohl nur ein. Als sie den Gipfel erreichten, war Lydia so wie immer: Sie unterhielt sich mit Sonia über gemeinsame Bekannte in London, ohne ihren Enkelsohn, der sich jetzt auf seine erste Schlittenfahrt vorbereitete, eines Blickes zu würdigen.
„Fertig?“, fragte Meg, als ihr Sohn – mit Jed als Begleiter – auf dem Schlitten Platz nahm.
In der kurzen Daunenjacke und den knappen Jeans sah sie wundervoll aus. Die rote Mütze, unter der das
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