JULIA EXTRA BAND 0274
ohne großen Erfolg. Als schließlich alle durchnässt, müde und gut gelaunt das Haus erreichten, verkündete sie aufgeräumt: „Und jetzt mache ich heiße Schokolade!“
„Du bist mir aber doch nicht böse, oder?“, fragte Meg ein wenig später, während sie und Jed am Wohnzimmerfenster ihren Kakao tranken und auf den verschneiten Garten hinausschauten. „Als Sonia und ich noch klein waren, war das so eine Art Geheimsprache zwischen uns. Wenn eine sagte ‚Ich kann nun mal nicht lügen‘, dann wusste die andere, dass die Unwahrheit folgen würde.“ Sie trank einen Schluck. „Was hattet ihr denn so eifrig zu bereden, du und Sonia?“
Etwas in ihrer Stimme ließ ihn aufhorchen: Die Belanglosigkeit, mit der sie die Frage ausgesprochen hatte, war vorgetäuscht. Was steckte dahinter?
„Oh, nichts Besonderes“, erwiderte er im gleichen Ton.
Er spürte, wie sie ihn von der Seite ansah. „Und ich dachte,ihr zwei hättet euch nichts zu sagen.“
Auch diesmal wirkte ihr Verhalten gezwungen. Er wandte sich vom Fenster ab und drehte sich zu ihr. „Nicht sehr viel.“
„Das wirkte aber vorhin etwas anders, oder?“, beharrte sie.
Er täuschte sich wirklich nicht: Meg wollte unbedingt wissen, worüber er mit ihrer Schwester gesprochen hatte. Warum?
„Wir haben uns über dich unterhalten“, sagte er langsam und ließ sie dabei nicht aus den Augen.
Etwas wie Angst verdüsterte ihre Miene, aber im nächsten Moment hatte sie sich wieder gefangen.
„Über mich?“ Sie tat überrascht. „Was, um alles in der Welt, könnte Sonia über mich zu sagen haben?“
Jed fühlte sich immer unbehaglicher. Er wusste, dass sie log. Er sah es am Zittern der Hand, mit der sie die Tasse umklammerte.
Seine nächsten Worte kamen rein instinktiv. Ohne zu überlegen, fragte er sie: „Welches Geheimnis steht zwischen euch, Meg, und lässt euch keine Ruhe?“
Sie wurde leichenblass, und er wusste, dass er ins Schwarze getroffen hatte: Offene Furcht war in ihren Augen zu lesen.
Wovor hatte sie bloß solche Angst?
Was immer es auch sein mochte – darin lag die Ursache für die unbegreifliche Spannung in diesem Haus. Die Erklärung, warum Meg ihren Eltern und ihrer Schwester aus dem Weg ging.
Aber worum handelte es sich?
Er wandte sich ab, und sein Blick fiel auf Scott, der neben seinem Großvater auf dem Teppich saß und spielte.
Hing es mit ihm zusammen?
Doch wie konnte ein unschuldiges kleines Kind eine ganze Familie auseinanderbringen?
9. KAPITEL
Meg erhaschte den Blick, den Jed ihrem Sohn zuwarf, sie sah den nachdenklichen Ausdruck in seinen Augen. Ahnte er etwas? Dann musste sie ihn ablenken.
„Was ist los? Hat dir jemand Whiskey in den Kakao geschüttet? Du siehst aus, als hättest du gerade die Entdeckung deines Lebens gemacht.“ Sie musterte ihn spöttisch. „Ist dir die Story für deinen nächsten Roman eingefallen, und deine Fantasie läuft jetzt auf Hochtouren?“
Es hatte geklappt: Er krauste die Stirn und betrachtete sie gedankenvoll. „Tatsache ist, dass ich die halbe Nacht auf war und geschrieben habe“, sagte er langsam.
„Na also. Und jetzt bist du müde.“ Sie lächelte nachsichtig. „Zu viel Arbeit und nicht genug Schlaf. Und nach der vielen frischen Luft bist du jetzt wahrscheinlich auch noch hungrig.“
Übertreib nicht! Trag nicht zu dick auf, Jed ist nicht dumm.
Sie hielt den Atem an und wartete auf seine Antwort. Wie ihr das alles zuwider war – die Spannungen, die Lügen, die Angst. Sie wünschte, dieses Gespräch hätte nie stattgefunden.
Nach und nach verloren seine Augen den wachsamen Blick, und seine Gesichtszüge entspannten sich. „Vielleicht hast du recht. Ich frage mich, was es nach dem Rehbraten von gestern bei euch als Weihnachtsessen gibt.“
Sie lachte, erleichtert, dass er das Thema wechselte. „Truthahn natürlich, so wie es sich gehört.“
„Natürlich. In diesem Haus wird Tradition großgeschrieben, nicht wahr?“
„In manchen Dingen schon.“
„Und dann? Was geschieht danach?“
„Dann ruhen wir uns aus.“
„Aha. Weil ihr zu viel gegessen habt.“
„Eher zu viel getrunken, aber das gehört mit zur …“
„Tradition, ich weiß.“ Er lächelte, als Jeremy auf sie zugehumpelt kam.
Zu Megs Erleichterung unterhielten sich die beiden Männer über Geschäfte und die Staaten, die Jeremy von mehreren Reisen gut kannte. Kurz darauf ging man zu Tisch, wo sie diesmal zwischen ihrem Vater und Scott saß. Die Gefahr, dass Jed sie in ein zu persönliches
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