JULIA EXTRA BAND 0274
Überlegung ist die, dass meine Familie – genau wie ich – in Madrid lebt. Wenn sie von Raphaels Existenz erfahren, werden sie ihn natürlich in ihrer Nähe haben wollen, damit sie ihn regelmäßig sehen können.“
„Und was ist mit meiner Familie?“
„Du hast schon mehr oder weniger angedeutet, dass ihr euch nicht sehr nahesteht.“ Mit einem arroganten Schulterzucken tat Leandro Isabellas Kommentar ab. Sie hatte eine aufdringliche Schwester, wenn er sich recht erinnerte, die sie auf unsensible Weise gegen ihren Willen überredet hatte, ihn aufzuspüren und zu versuchen, ein Interview von ihm zu bekommen. Und ihre Eltern klangen nicht so, als wären sie besonders liebende Großeltern. Eltern, die es nicht über sich brachten, ihrer Tochter bei der Kinderbetreuung zu helfen, wenn diese eindeutig darauf angewiesen war, verdienten es nicht, dass man Rücksicht auf sie nahm. Er wusste, dass seine Mutter, Tanten und die gesamte Großfamilie die gleiche Bestürzung darüber empfinden würden wie er selbst. Es behagte Leandro überhaupt nicht, dass sein Sohn in der Umgebung solch distanzierter und vielleicht sogar kalter Menschen aufwuchs.
Die dunkelroten Flecken, die sich auf Isabellas sonst blassen Wangen ausbreiteten, sprachen Bände, aber er wollte sich durch ihre Reaktion auf seine Offenheit nicht beeinflussen lassen. Im Moment ging es ihm mehr darum, sie dazu zu bringen, seiner völlig gerechtfertigten Forderung nachzugeben, mit Raphael zu ihm nach Spanien zu kommen. Und was die Entwicklung ihrer Beziehung in Zukunft anging, nun … Leandro würde unnachgiebig darauf bestehen, dass sie um ihres Sohnes willen heiraten mussten.
„Aber du scheinst vergessen zu haben, dass ich auch einen Job hier habe. Einen Job, den ich sehr gerne mache“, fügte sie hastig hinzu.
„Ach, und das ist derselbe Job, von dem du mir erzählt hast, dass er unbefriedigend für dich geworden ist?“
Der Sarkasmus in seinem Ton ließ Isabella noch stärker erröten. „Seit ich aus Spanien zurückgekehrt bin, macht er mir wieder sehr viel mehr Spaß!“
„Und – bringt er dir viel Geld ein, dieser Job, an dem dir plötzlich so viel liegt?“
„Das geht dich gar nichts an!“
„Oh nein, ich finde, es geht mich sehr wohl etwas an, da es um das Wohlergehen meines Jungen geht.“
Trotzig funkelte Isabella ihn an. „Wir kommen zurecht … und mein Großvater hat mir dieses Haus vermacht, sodass ich keine Hypotheken abzuzahlen habe. Außerdem habe ich hart auf eine Beförderung hingearbeitet, die auch eine Gehaltserhöhung mit sich bringen würde. Dann wird es finanziell für uns noch leichter sein.“
„Tut mir leid, aber das erfüllt mich nicht gerade mit Zuversicht. Es geht dir momentan finanziell nicht besonders gut, und wenn sich bei deiner Beförderung dein Gehalt nicht gerade verdoppelt, dann wirst du auch hinterher noch zu kämpfen haben. Es gibt einfach keinen guten Grund, warum du hier in England bleiben solltest, wenn ihr beide, Raphael und du, sorglos bei mir in Spanien leben könnt. Ist dir außerdem nicht klar, dass du auch dort einen Job haben wirst, der dir wirklich Freude bereitet?“
Leandros Mund verzog sich zu einem Lächeln, und er trat näher zu ihr. Sein Ärger über ihre Sturheit verwandelte sich plötzlich in ein überwältigendes Bedürfnis nach Intimität, sodass er momentan seine Ungeduld ihr gegenüber völlig vergaß. Die Luft war erfüllt von ihrem betörenden Duft, und diese wunderbaren dunklen Augen mit ihren üppigen schwarzenWimpern bezauberten ihn mehr, als jede Filmschönheit es vermocht hatte.
„Du wirst den ganzen Tag zu Hause sein und dich um Raphael kümmern können, und wenn du mal eine Pause brauchst, werden meine Mutter und meine Tanten dir zweifellos ihre Hilfe anbieten. Du wirst nicht einen Balanceakt zwischen Arbeit und Kinderbetreuung vollführen müssen, wie du es hier tust, und wirst außerdem über mehr Freizeit verfügen, um deinen Interessen nachgehen zu können. Dabei fällt mir ein: Wie weit bist du mit deinem Buch über den Jakobsweg?“
Es war schwierig, eine Antwort zu formulieren, wenn er so nahe bei ihr stand. Und Isabella war immer noch dabei, mit seiner Idee einer Heirat zurechtzukommen. Das war Leandro Reyes – weltberühmter Filmregisseur und von vielen bewundert … Das war keine einfache Liebesgeschichte mit einem attraktiven Fremden. Weit reichende Veränderungen für ihr Leben waren damit verbunden. Zum einen würde ihr Leben dem prüfenden Blick der
Weitere Kostenlose Bücher