JULIA EXTRA BAND 0274
draußen stand sicher ein armer Tropf und sah zu seinem Gebäude hinauf. Und ganz bestimmt fragte er sich, wie es wohl wäre, sich jeden Wunsch erfüllen zu können.
An dieses Gefühl erinnerte sich Jack nur zu gut, denn vor zwölf Jahren war er selbst mit leeren Taschen durch die Straßen der Stadt gezogen. Damals hatte er zu den riesigen Bürokomplexen aufgesehen und sich geschworen, selbst irgendwann hier zu sitzen und Geld zu scheffeln. Den Weg vom Tellerwäscher zum Millionär ging kaum jemand bis zum Ende, aber er hatte es geschafft. Und darauf war er stolz.
„Hörst du mir überhaupt zu, Jack?“
„Ja. Und ich spüre, dass irgendwas nicht stimmt, Em. Also red nicht um den heißen Brei herum. Was ist passiert?“ Trotz all der Jahre, die vergangen waren, kannte er seine Schwester immer noch sehr gut.
Emma seufzte am anderen Ende der Leitung. „Du hast recht. Das Bella Lucia ist in Schwierigkeiten. Wir brauchen deine Hilfe.“
Die kostbaren Restaurants mit dem Namen Bella Lucia waren seinem Vater Robert Valentine immer wichtiger gewesen als alles andere. Wichtiger als seine Familie, wichtiger als seine Frau. Und nun steckte die Kette in Schwierigkeiten. Gut. Es wurde allmählich Zeit, dass sein Vater, dieser notorische Schürzenjäger, für seine Sünden bezahlte. Und am besten da, wo es ihn am meisten schmerzte.
„Ich wüsste nicht, was mich das angeht.“
„Dann werde ich es dir sagen, Jack. Es geht dich verdammt viel an, weil du, so wenig es dir auch passen mag, immer noch Teil dieser Familie bist.“ Sie klang sehr bestimmt.
„Hat er dich vorgeschickt?“
„Nein.“ Wieder seufzte sie. „Jack, was ist damals zwischen euch vorgefallen?“
Vor zwölf Jahren hatte Jack seine Mutter vor dem Zorn seines Vaters beschützt. Dafür hatte er einen sehr hohen Preis gezahlt. Er hatte seine Familie verloren.
„Das ist heute nicht mehr von Bedeutung, Em.“
Das Schnauben seiner Schwester klang wenig damenhaft. Jack sah sie vor sich, wie sie genervt die blassblauen Augen verdrehte, und er vermisste sie. Dieses Gefühl überfiel ihn vollkommen überraschend, und es brachte ihn mehr aus dem Gleichgewicht, als er sich selbst eingestehen mochte.
„Ich höre dir doch an, dass es dir immer noch etwas ausmacht.“
„Das stimmt nicht.“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Wenn das jetzt alles war …“
„Nein“, fuhr sie ihn an. „Wir brauchen dich, Jack. Du hast eine Investmentfirma. Und das Familienunternehmen braucht finanzielle Unterstützung. Du bist praktisch unsere einzige Hoffnung.“
„Es gibt jede Menge Investoren, die bestimmt gern einen Teil vom Kuchen hätten. Immerhin ist das Bella Lucia einerenommierte Adresse.“
„Aber das wären Fremde. Wenn du investierst, bliebe das Bella Lucia in der Familie. Du kannst uns nicht einfach den Rücken kehren.“
Selbst dann nicht, wenn ihm die Familie einst den Rücken gekehrt hatte? „Ihr schafft das schon, Em.“
„Ich wünschte, du hättest recht. Wie du selbst gesagt hast, es sind jetzt schon zwölf Jahre. Zwölf ist eine gute Zahl, um Frieden zu schließen. Es ist Weihnachten. Die Zeit des Friedens und der Versöhnung. Du weißt schon.“
„Ich bin aber nicht in versöhnlicher Stimmung.“ Jack stützte den Ellbogen auf dem Schreibtisch ab.
„Ich auch nicht.“ Nun klang auch sie verärgert. „Du bist damals einfach abgehauen. Dad hat kein Wort über die Angelegenheit verloren, und Mum stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Ich war sechzehn, als du mich in diesem Schlamassel allein gelassen hast. Große Brüder sollten sich eigentlich um ihre kleinen Schwestern kümmern.“
Und kleine Schwestern wussten, wie sie in alten Wunden herumstochern mussten, um ihren Willen durchzusetzen. Er hatte sie geliebt. Verdammt, er liebte sie immer noch.
„Ich hatte keine Wahl, Em. Ich musste fort.“
„Das ändert nichts daran, dass du mich im Stich gelassen hast. Aber wahrscheinlich hast du nur getan, was du tun musstest. Du brauchtest Abstand. Jetzt brauche ich mal etwas von dir.“ Sie zögerte. „Ich habe übrigens geheiratet, Jack.“
Er brauchte einen Moment, um sich seine kleine Schwester als erwachsene Frau vorzustellen. Als verheiratete Frau. „Ich gratuliere. Wer ist denn der Glückliche?“
„Er war ein Prinz …“
„Dein Prinz“, neckte er sie.
Emma lachte glücklich. „Auch das. Aber Sebastian war ein echter Prinz. Inzwischen ist er zum König von Meridia gekrönt worden.“
Meridia. Dem Namen nach kannte
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