JULIA EXTRA BAND 0274
ersteigert. Lily hatte ihn auf die Gelegenheit aufmerksam gemacht und dazu ermuntert, sein Glück zu versuchen.
Ungefähr zwei Meter von der mit goldenen Arabesken verzierten Drehtür entfernt, bemerkte Lily, wie zwei Männer das Hotel betraten. Beide trugen dunkle Anzüge und machten einen finsteren Eindruck. Sie sahen aus wie zwei Gangster aus einem alten Mafia-Film.
„Der Prinz und seine Begleitung kommen in fünf Minuten“, verkündete einer von ihnen.
„Jetzt?“, fragte Lily und drehte sich erstaunt nach Gerard und Karen um.
Der Hotelbesitzer wirkte wie erstarrt. Ein Ausdruck von Panik erschien auf seinem Gesicht. „Aber … Prinz Conrad und seine Familie wurden uns erst für morgen Vormittag angekündigt“, stammelte er.
Der zweite Mann runzelte die Stirn. „Das Programm hat sich geändert“, sagte er mit einem starken Akzent. „Soll das heißen, dass die Zimmer nicht vorbereitet sind?“
„Durchaus nicht“, erwiderte Gerard scharf. „Es ist nur … Wir hatten für morgen einen gebührenden Empfang geplant … Jetzt ist es unmöglich. Nachts arbeiten wir mit weniger Personal.“
Die Männer wechselten einen vielsagenden Blick.
Wahrscheinlich stellen sie sich schon die Reaktion ihrer Chefin vor, ging es Lily durch den Kopf.
Einer der beiden zog ein Blatt Papier aus der Tasche. „Hier sind ein paar Anweisungen von Ihrer Hoheit. Sie wünscht Abendessen von Le Capitan und Champagner aufs Zimmer. Außerdem ein Blumenarrangement mit …“ Er las noch einmal. „Paradiesvogelblumen.“ Anschließend reichte er Gerard den Zettel.
Etwas Schlimmeres hätte der Mann ihm kaum mitteilenkönnen, dachte Lily. Jeder in New York wusste, dass Le Capitan im Moment das meistgefragte Restaurant in Manhattan war. Selbst Prominente wurden dort weggeschickt, wenn sie nicht rechtzeitig reserviert hatten. Die Küche war hervorragend, doch hauptsächlich ging es in dem Nobelrestaurant ums Sehen und Gesehenwerden. Der Manager würde nur laut lachen, wenn Lily anrief, um ein Dinner ins Hotel zu bestellen. Aber, fiel ihr ein, ich kenne einen der Barkeeper dort. Vielleicht kann er mir helfen.
Eins stand fest: Das heiße Bad und die paar Stunden Schlaf, auf die sie sich so gefreut hatte, konnte sie vergessen.
„Ich kümmere mich darum“, sagte sie und nahm Gerard das Blatt aus der Hand. Nach einem kurzen Blick darauf hätte sie am liebsten aufgelacht. Die Bestellung belief sich auf drei gemischte Salate ohne Gurken und Vinaigrette, drei Rinderfilets, halb durchgebraten, ohne Soße, und zwei Stücke Schokoladentorte. Dieses Menü bekam man in fast jedem Restaurant zum halben Preis, aber Ihre Hoheit wollte natürlich nur das Exklusivste. Geld spielte dabei garantiert keine Rolle.
Lily las weiter: vier Flaschen Dom Perignon, Jahrgang 1983. Diesen Champagner um elf Uhr nachts aufzutreiben würde nicht einfach werden. Was die Blumen betraf, so konnte sie nur auf den Geschenkeladen in dem nahe gelegenen Krankenhaus hoffen.
Den Gästen jeden Wunsch zu erfüllen gehörte nun einmal zu ihrem Beruf. Und Lily hatte eine gewisse Begabung dafür, das Unmögliche möglich zu machen. Das oder ganz einfach Glück. Manchmal verstand sie es selbst nicht: Theaterkarten wurden zurückgegeben, gerade wenn sie welche bestellen wollte. Eine Tischreservierung wurde storniert, wenn sie dringend eine brauchte – es war direkt unheimlich.
Eines Nachmittags kam eine berühmte Broadway-Schauspielerin in die Hotellobby. Lily erinnerte sich noch gut an den Tag, denn es regnete in Strömen. Gerade hatte der Sekretär eines Botschafters ein Treffen mit eben dieser Künstlerin für seinen Vorgesetzten vereinbaren wollen. Der Zufall grenzte fast schon ans Übernatürliche.
Den Zettel in der Hand, wollte Lily nun das Hotel verlassen. Da betraten zwei beleibte Damen, dem Aussehen nachMutter und Tochter, die Halle. Lily ahnte, wer da plötzlich vor ihr stand.
„Ich hatte eine angemessenere Begrüßung erwartet“, verkündete Prinzessin Drucille hochmütig. Trotz ihrer kleinen und fülligen Statur schaffte sie es, majestätisch aufzutreten. Die Tochter, die noch rundlicher aussah als die Mutter, nickte affektiert.
Gerard eilte ihnen entgegen. „Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Hoheit. Wir hatten Sie erst morgen erwartet.“ Er verbeugte sich. „Erlauben Sie, dass ich mich vorstelle: Gerard de Mises, Besitzer des Hotels.“
Prinzessin Drucille rümpfte die Nase. „Prinz Conrad wird über diesen Empfang nicht sehr erbaut sein.“
Lily
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