JULIA EXTRA BAND 0274
seinen Rat. „Henri, die Steaks sind fast kalt. Kann ich sie in der Mikrowelle aufwärmen?“
Entsetzt musterte der Küchenchef sie. „Das soll wohl ein Scherz sein.“
„Leider nicht.“
Er verdrehte die Augen, bevor er nickte. „Aber höchstens dreißig Sekunden, nicht länger. Für das Ergebnis übernehme ich keine Garantie.“
Lily schenkte ihm ein dankbares Lächeln. „ Merci beaucoup, Henri. Vielen Dank für den Tipp.“
Abwinkend ging er zur Tür. „ De rien. Viel Glück.“
„Danke, ich kann’s gebrauchen.“
Kurz darauf stand Lily bereits vor Drucilles Suite. Eine schüchterne junge Frau, wahrscheinlich die Sekretärin, öffnete. „Ich bringe das Abendessen.“
Die Prinzessin und Lady Ann saßen im Salon und unterhielten sich mit einer Besucherin. Lily bemerkten sie nicht.
„Seine Wünsche sind nicht von Belang“, sagte Drucille gerade. „Er muss heiraten, wenn die Nachfolge gesichert sein soll. Und dafür werde ich auch sorgen.“
Lady Ann nickte.
„Moment mal“, erwiderte die Unbekannte. „Ich war der Meinung, der Prinz ist schon verlobt. Mit Lady Penelope.“
„Noch nicht“, entgegnete Drucille. „Wenn Sie, meine Liebe, also eine geeignete Debütantin kennen, hätte ich nichts dagegen, mich mit ihr ein wenig zu unterhalten. Das wäre doch etwas für Ihre Kolumne, oder nicht?“, fügte sie herausfordernd hinzu.
Die Frau nickte. „Ja, das wäre nicht schlecht: Prinz Conrad auf der Suche nach einer Kronprinzessin.“ Ihre Augen funkelten.
„Eben. Dass er letztendlich doch Lady Penelope um ihre Hand bitten wird, spielt dabei keine Rolle. Ich verspreche Ihnen, dass Sie die Erste sind, die davon erfährt. Der Caroline-Horton-Exklusivbericht ist Ihnen sicher.“
Caroline Horton! Sie schrieb für den New York Tattler, ihre Klatschspalte auf Seite sieben war ebenso berühmt wie berüchtigt.
„Das hört sich gut an, Prinzessin, Sie können sich auf mich verlassen.“ Die Journalistin erhob sich und streckte Drucille die Hand hin, welche Ihre Hoheit nur widerstrebend ergriff. Die Formlosigkeit der Amerikanerin gefiel ihr offensichtlich nicht.
„Unser Gespräch ist vertraulich, Caroline. Bitte vergessen Sie das nicht.“
Im Flur warf die Sekretärin Lily einen beschwörenden Blick zu, worauf diese nickte und ein paar Schritte zurücktrat. Dann rollte sie den Teewagen in den Salon, als wäre sie eben erst angekommen.
„Hier ist Ihr Abendessen, Hoheit. Und der Champagner.“
Drucille begutachtete die Gedecke. „Ein Steak und Salat sind für Prinz Conrad.“
„Aber … Ich hatte den Eindruck, er wollte nicht gestört werden“, entgegnete Lily ein wenig verwirrt.
„Unsinn, er erwartet Sie. Bringen Sie ihm das Essen, bevor es kalt wird.“ Mit einer herrischen Geste zeigte sie auf einen der Teller.
Lily nahm das Tablett und ging. Sie war sicher, dass sie sich nicht geirrt hatte. Aber wenn die Prinzessin darauf bestand, dass ihr Stiefsohn auf sein Essen wartete, konnte sie schlecht widersprechen.
Nachdem er ihr die Tür geöffnet hatte, stellte Lily beschämt fest, dass er nicht allein war. Brittany Oliver, ein Hollywood-Starlet, dessen Ruhm seit einiger Zeit immer mehr verblasste, saß im Wohnzimmer auf der Couch.
„Ich habe nichts bestellt“, sagte er kurz angebunden. „Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich um keine Störung gebeten.“
Seine Stimme klang müde, so als überrasche ihn die Unterbrechung nicht. Und obwohl Lily den Vorwurf nicht verdiente, musste sie ihm recht geben: Genau das hatte er gesagt.
„Es tut mir sehr leid, Hoheit“, entgegnete sie. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie Brittany Oliver sich auf dem Sofa zurechtsetzte, um sich nichts entgehen zu lassen. „Ihre Stiefmutter bestand darauf, dass ich Ihnen das Essen bringe. Sie sagte, Sie warten darauf.“
„Die Gattin meines verstorbenen Vaters“, korrigierte er, „sagt so manches, was man am besten ignoriert. Zum Beispiel das hier.“
„Hoheit, ich bedaure das Missverständnis. Meine Aufgabe ist, den Wünschen unserer Gäste nachzukommen und …“
„Mein Wunsch war, nicht gestört werden.“
„Das bestreite ich nicht. Nur, Ihre Stiefmutter …“
„Die Frau meines verstorbenen Vaters.“
„… versicherte mir, dass Sie auf Ihr Abendessen warten. Wie ich sehe, ist das nicht der Fall. Erlauben Sie, dass ich es wieder mitnehme.“
Schweigend musterte der Prinz sie. Den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, etwas wie Mitgefühl in seinen Augen aufflackern zu sehen. „Das
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