JULIA EXTRA BAND 0274
Dabei stand sie auf dem obersten Regal in der Küche.“
Die Heimleiterin nickte lächelnd. „Und Lily wusste genau,dass sie nicht an die Plätzchen durfte. Das hat sie jedoch nicht gestört, sich trotz des Verbots zu bedienen. Fast könnte man sie für ihre Hartnäckigkeit bewundern. Ich hoffe nur“, fügte sie seufzend hinzu, „dass ihr das später einmal nicht zum Verhängnis wird.“
1. KAPITEL
„Die Belvedere-Suite ist für Prinz Conrad von Belorien, die Wyndham-Suite für seine Stiefmutter, Prinzessin Drucille, und ihre Tochter Lady Ann“, sagte Gerard de Mises und zeigte auf die drei Namen in dem altmodischen Gästebuch mit den vielen Tintenklecksen. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch wurde es nach wie vor handschriftlich geführt, weil es besser zu dem traditionellen Stil des Hauses passe. Computer waren ihm zu unpersönlich. Und ihm gehörte das Montclair-Hotel in New York.
Was er nicht wusste, war, dass seine Angestellte Lily Tilden ebenfalls ein Verzeichnis in ihrem Laptop pflegte. Tradition hin oder her, Computer fand sie zuverlässiger. Und als Concierge musste Lily praktisch denken.
Jetzt stand sie neben ihrem Chef und nickte zustimmend.
„Prinz Conrad und seine Begleitung kommen morgen früh an“, fuhr Gerard fort. „Ich habe veranlasst, dass das gesamte Personal zur Begrüßung erscheint. Die Prinzessin nimmt es mit Förmlichkeiten äußerst genau.“
Lily seufzte. Prinzessin Drucille schien auch sonst sehr anspruchsvoll zu sein. Sie hatte bereits mehrmals anrufen lassen, um rosa Badetücher und eine bestimmte Marke von Lavendelseife anzufordern. Dazu französisches Mineralwasser – das ein kleines Vermögen kostete.
„Mrs. Hillcrest in der Astor-Suite reist morgen ab. Damit bleibt für Sie auf der Etage für unsere exklusiven Gäste außer Prinz Conrad, Prinzessin Drucille und Lady Ann nur noch Samuel Eden. Und natürlich Mrs. Dorbrook“, fügte er hinzu und unterdrückte ein Aufseufzen. „Ich will mich ja nicht beklagen, nur … Das Geschäft könnte etwas lebhafter sein.“
„Ich weiß, zurzeit ist es überall flau“, versicherte Lily. Die Buchungen der letzten Zeit konnte sie fast an einer Hand abzählen. „Jetzt, wo Prinz Conrad bei uns wohnt, bekommen wir bestimmt mehr Zulauf. Die Zeitungen berichten nur noch über seinen Besuch in New York.“
Gerard schmunzelte. „Er ist sehr beliebt, vor allem bei den Damen.“
„Playboys wie er werden ständig fotografiert, das wird uns sicher zugutekommen“, meinte Lily, obwohl sie nicht sehr zuversichtlich war. Das Montclair hatte schon viele berühmte Persönlichkeiten beherbergt. Im Allgemeinen brachte das jedoch eher einen Ansturm von Paparazzi und Autogrammjägern mit sich als zusätzliche Gäste. Dennoch, der Aufenthalt des Kronprinzen von Belorien konnte dem Hotel nicht schaden.
„Warten wir es ab.“ Geräuschvoll schlug Gerard das Gästebuch zu. „Ich hoffe, Sie behalten recht“, sagte er und lächelte. „Jetzt gehen Sie besser nach Hause, es war ein langer Tag für Sie.“
„Das kann man wohl sagen.“
Nicht zum ersten Mal in dieser Woche war Lily seit über zehn Stunden auf den Beinen. Seitdem Gerard einige Mitarbeiter entlassen hatte, übernachtete sie öfter im Hotel als die meisten Gäste – mit Ausnahme der Ölmillionärswitwe Bernice Dorbrook, die seit dem Tod ihres Mannes dauerhaft bei ihnen wohnte.
Sehnsüchtig dachte Lily an ihr eigenes Apartment. Ein heißes Bad und danach ihr Bett, mehr wollte sie nicht. Die vielen Überstunden der letzten Wochen waren nicht spurlos an ihr vorbeigegangen. Aber Gerard konnte sich keine zusätzliche Rezeptionistin leisten. Die wenigen Angestellten mussten allein mit der Arbeit fertig werden.
„Dann bis morgen.“
Sie ging ins Büro, um ihre Sachen zu holen. Heute Abend würde sie ein Taxi nehmen. Das Warten auf den Bus, die lange Fahrt und zweimal Umsteigen, das war ihr einfach zu viel. Zum Glück konnte Lily sich den Luxus leisten: Samuel Eden hatte ihr ein großzügiges Trinkgeld gegeben, weil sie ihm Eintrittskarten zu einer ausverkauften Broadway-Show besorgthatte. Seine Frau wollte unbedingt hingehen.
„Gute Nacht, Karen. Gute Nacht, Barbara.“ Sie winkte den Kolleginnen am Empfang zu. „Bis morgen.“
Karen lachte. „Morgen? Es ist schon fast morgen.“
„Erinnere mich nicht daran.“ Müde durchquerte Lily die Lobby und schritt über den kostbaren Perserteppich, auf den Gerard sehr stolz war. Er hatte ihn trotz seiner Abneigung gegen Computer online
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