JULIA EXTRA BAND 0274
persönlich? Glaubte er etwa, sie wolle sich aufdrängen?
„Selbstverständlich, Hoheit“, erwiderte sie förmlich.
Er nickte kurz. „Ich gehe davon aus, dass ich mich auf Ihre Diskretion verlassen kann.“
Er meinte Besucher – oder vielmehr Besucherinnen. Was sonst? Lily war es gewöhnt, in ihrem Beruf über vieles hinwegzusehen. Prinz Conrad unterschied sich offensichtlich nicht von den anderen Gästen. Doch sein arrogantes Verhalten gefiel ihr überhaupt nicht.
„Selbstverständlich“, wiederholte sie. Sein Aufenthalt im Montclair war gut fürs Geschäft, das durfte sie nicht vergessen.
„Ausgezeichnet. Stephan!“ Er wandte sich an einen dunkel gekleideten Mann und fragte ihn etwas, das Lily nicht verstand. Dieser Stephan fiel ihr auch erst jetzt auf.
Er nickte und hielt einen Zimmerschlüssel hoch. Anschließend griffen Stephan und ein weiterer Begleiter nach den beiden Koffern, die der Chauffeur in die Lobby gebracht hatte. Während sie zum Aufzug gingen, folgte ihnen Prinz Conrad.
Drucille sah ihm nicht sehr freundlich nach, bevor sie sich zu Lily umdrehte. „Lassen Sie das Abendessen auf meine Suite bringen. Ich nehme an, sie verfügt über ein Speisezimmer.“
„Natürlich, Hoheit“, erwiderte Lily zerstreut, während ihr Blick der hochgewachsenen Gestalt in dem hervorragend geschnittenen Maßanzug folgte. Der Mann besaß Flair, so viel stand fest.
„Lily … Das Abendessen!“, flüsterte Gerard eindringlich. „Die Prinzessin sieht nicht aus, als sei sie besonders geduldig.“
„Nein, das ist sie bestimmt nicht. Ich habe große Lust, ins nächstbeste Restaurant zu gehen, um Steaks und Salat zu holen.“
Karen kicherte, verstummte jedoch unter Gerards vorwurfsvollem Blick.
„Keine Angst, das war nur ein Scherz.“ Nachdem sie die Kreditkarte für Geschäftseinkäufe eingesteckt hatte, machte Lily sich auf den Weg. „Bis gleich.“
Vor dem Hotel verharrte sie einen Augenblick. Wie immer roch es nach Auspuffgasen und den Essensdüften benachbarter Restaurants. Die Luft war mild, und im Licht der Straßenlampen glänzte das frische grüne Laub der Bäume. Lily atmete tief ein. Nach den langen kalten Wintermonaten war endlich wieder Frühling in New York. Es tat gut, im Freien zu sein.
Zuerst ging sie zum Krankenhaus, wo sie im Geschenkeladen tatsächlich die gewünschten Paradiesvogelblumen bekam. Problem Nummer eins war somit gelöst.
Die Glückssträhne hielt an. Beim Verlassen des Ladens hielt Lily ein Taxi an, das sie zu Le Capitan brachte, wo sie dank ihres Bekannten das Abendessen und sogar den Champagner bekam. Sie bedankte sich, versprach dem Barmann Eintrittskarten zu einer seit Monaten ausverkauften Show und kehrte ins Hotel zurück.
Zu ihrer Überraschung meldete sich trotz der späten Stunde noch ein Gast am Empfang. Dann erkannte Lily die Frau und seufzte: Es handelte sich um niemand anderen als die berüchtigte Baroness von Elsbon.
Kiki von Elsbon war im Montclair gut bekannt. Sie erschienvor allem, wenn ein attraktiver unverheirateter Mann im Hotel wohnte – wie vor nicht allzu langer Zeit der Pressekönig Breck Monohan oder der berühmte Filmschauspieler Jean Poirrou. Kein reicher lediger Mann war vor der exzentrischen Exfrau des kürzlich verstorbenen Barons Horst von Elsbon sicher. Anscheinend hatte sie auch schon von Prinz Conrads Besuch gehört.
Die Baroness zählte zu den unangenehmsten Gästen, denen Lily während ihrer Laufbahn im Montclair begegnet war. Als sie Kiki jetzt erblickte, ging sie deshalb so schnell und unauffällig wie möglich zu den Fahrstühlen, um die Einkäufe für Prinzessin Drucille abzuliefern.
In der Etagenküche im ersten Stock fand Lily außer dem Küchenchef Henri niemanden mehr vor.
„Wo sind die Zimmerkellner?“, fragte sie.
Henri zuckte die Schultern. „Lyle hat eine Erkältung und ist nach Hause gegangen. Elissa und Sean haben Frühschicht, und Miguel ist noch im Urlaub.“ Er griff nach seinem Mantel. „Und ich gehe jetzt auch.“
Lily seufzte. Henris temperamentvolle Ausbrüche kannte sie. Seitdem auch in der Küche das Personal gekürzt worden war, zeigte er sich noch unzugänglicher. Völlig aussichtslos, ihn mit dem Abendessen der Prinzessin zu belästigen.
„Können Sie mir sagen, wo ich einen Teewagen finde?“, fragte Lily deshalb nur.
„In der Anrichte. Elissa hat welche vorbereitet.“
„Danke.“ Sie zögerte, dann gab sie sich einen Ruck. Henri benahm sich nicht sehr freundlich. Trotzdem brauchte sie
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