JULIA EXTRA Band 0276
möglich. „Es … es hat Spaß gemacht. Aber ich finde, wir sollten uns jetzt wieder wichtigeren Dingen zuwenden. Wann fangen wir an zu arbeiten?“
„Du hast natürlich – wie meistens – mal wieder recht. Trotzdem sollten wir uns nach so einer Nacht wenigstens anständig guten Morgen sagen.“ Ohne Charlottes Antwort abzuwarten, war er um den Tresen herum und an ihrer Seite, zog sie an sich und küsste sie auf die weichen Lippen.
Alles in Charlie schrie danach, ihm nachzugeben, doch sie machte sich mit einem Ruck frei. „Schluss damit, Marco …“, sagte sie rau. „Jetzt ist es Tag, und alles läuft weiter wie bisher.“
„Aber natürlich“, versprach er heiter. „Ich sprinte jetzt sofort nach oben, dusche mich und ziehe mich an, und in … sagen wir einer halben Stunde treffen wir uns in meinem Arbeitszimmer. Na, wie hört sich das an?“
Sie schluckte. „Akzeptabel.“ Am liebsten wäre sie hinauf in ihr Zimmer gegangen und hätte sich für den Rest des Wochenendes eingeschlossen. Denn sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie es schaffen sollte, nach der letzten Nacht zu ihrer professionellen Distanz zurückzukehren. Hastig griff sie nach ihrem Kaffeebecher und wandte sich zum Gehen.
Marco schaute ihr lächelnd hinterher. Er war sich sehr wohl bewusst, dass Charlie erneut versuchte, ihre Barrieren wieder aufzurichten und ihn auszuschließen, aber das würde er ihr nur gestatten, soweit es ihre berufliche Zusammenarbeit betraf. Ansonsten hatte er ganz andere Pläne für seine zauberhafte Sekretärin …
„Kannst du diese Seiten bitte kopieren?“ Marco legte einen Stapel Papiere auf Charlottes Tisch. „Oh, und versuch bitte Professor Hunt telefonisch zu erreichen. Ich muss ihn noch etwas zu dem Meeting fragen.“
„Ich kümmere mich sofort darum.“ Charlie suchte die Nummer heraus und griff zum Telefon. Seltsam, dachte sie, wie leicht wir wieder zum gewohnten Rhythmus zurückgefunden haben. Seit Stunden arbeiteten sie Seite an Seite, als hätte es die vergangene Nacht gar nicht gegeben.
Vielleicht lag es ja an dem Raum, der an Marcos Büro in London erinnerte. Oder an seiner Fähigkeit, alles andere auszublenden, sobald es um die Arbeit ging. Während Charlie die Notizen kopierte, lauschte sie seiner dunklen Stimme mit dem weichen italienischen Akzent, während er mit seinem englischen Kollegen sprach. Selbst wenn es um nüchterne wissenschaftliche Fakten geht, hört es sich an, als redet er über Sex, schoss es ihr durch den Kopf.
Als sie über die Schulter nach hinten schaute, begegnete sie seinem Blick, und sofort schlug ihr Herz bis zum Hals. Himmel noch mal! Die ganze Zeit über war es gut gegangen, und jetzt …
Marco beendete sein Gespräch und legte den Hörer auf. „Ich denke, das reicht für heute“, verkündete er. „Der Rest kann warten, bis wir wieder in London sind.“
Charlie verstaute die Kopien in einer bereitliegenden Mappe und schaltete PC und Kopierer aus. „Du musst noch die Papiere auf deinem Schreibtisch unterzeichnen.“
Marco warf einen Blick auf seine Uhr. „Das kann bis später warten, uns läuft die Zeit davon.“
Charlie runzelte die Stirn. „Aber …“
„Es ist ein wundervoller Tag, und ich habe dir eine Sightseeingtour versprochen. Du kannst auf keinen Fall abreisen, ohne Florenz gesehen zu haben!“, erklärte er bestimmt.
„Okay …“, gab Charlie sich geschlagen. „Aber vorher möchte ich noch hören, wie es Jack geht.“
Marco lächelte. „Aber unbedingt! Ruf übers Festnetz an.“
Eine halbe Stunde später verließen sie das Haus. Inzwischen strahlte die Sonne so kraftvoll vom wolkenlosen azurblauen Himmel auf sie herab, dass die Mittagshitze auf den Straßen flirrte. Charlie war froh, ihre Jeans kurz entschlossen gegen ein luftiges Kleid getauscht zu haben. In der femininen weiß-blauen Kreation fühlte sie sich frisch und unternehmungslustig.
Mit einem wohligen Seufzer lehnte sie sich in dem komfortablen Ledersitz zurück und betrachtete die reizvolle Landschaft, die an ihr vorbeiflog. Spontan nahm Charlie sich vor, an nichts anderes zu denken als daran, diesen Nachmittag zu genießen.
Auf der anderen Seite des Tales klebte ein Bergdorf wie ein Insektenbau am steilen Berghang. Die terrakottafarbenen Dächer leuchteten in der Sonne, und weiter unten zerteilten terrassenförmig angelegte Weingärten das Land in geometrische Muster. Als sie dichter heranfuhren, konnte Charlie die prallen, sonnengereiften Trauben an den einzelnen
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