JULIA EXTRA Band 0276
was brachte ihm das? Der einzige Pluspunkt, den Marco für sich verbuchen konnte, war, dass er inzwischen den kleinen Jack recht gut kannte und ihn mit jedem Tag lieber gewann.
Plötzlich kam ihm ein beunruhigender Gedanke. Konnte es vielleicht sein, dass Charlie ihn heimlich testete, was sein Verhältnis zu ihrem Sohn betraf? Dass Jack im Leben seiner Mutter höchste Priorität einnahm, war schließlich kein Geheimnis.
„Marco?“ Es war Sarah, die noch einmal den Kopf durch die Bürotür steckte. „Was New York betrifft …“
„Werde ich dir die letzten Details telefonisch mitteilen. Jetzt habe ich keine Zeit, da ich heute noch nach Edinburgh fliegen muss.“
„Oh, das hatte ich ganz vergessen.“
„Du bist ja auch nur für die PR zuständig, was mein Buch betrifft. Um meine andere Arbeit kümmere ich mich schon selbst.“ Der ungeduldige Ton in seiner Stimme war nicht zu überhören, sodass seine smarte Agentin sich augenblicklich wieder zurückzog.
Marco seufzte, packte seinen Aktenkoffer und verließ ebenfalls das Büro. Der Londoner Verkehr stadtauswärts war um diese Zeit mörderisch. Dabei wollte er unbedingt noch mit Charlie sprechen, ehe sie Feierabend machte und zu ihrem Sohn nach Hause fuhr. Marco schaute auf die Uhr und fluchte unterdrückt. Dann griff er zum Handy und wartete ungeduldig auf Charlies weiche Stimme.
„Mr. Delmaris Büro.“
Ihr höflich geschäftsmäßiger Ton ließ ihn schmunzeln. „Ich bin’s. Wie lief es heute bei dir?“
„Gut. Und wie waren deine Meetings?“
„Auch gut, alles Wichtige erledigt. Allerdings stecke ich jetzt im Berufsverkehr fest und werde noch mindestens eine Stunde bis Oxford brauchen.“
„Okay, dann schließe ich einfach ab, wenn ich gehe und …“
„Nein, warte auf mich“, unterbrach er sie schnell. „Wir müssen noch miteinander reden, ehe ich nach Edinburgh abreise.“
„Kann das nicht warten?“
„Nein, das kann es nicht, denn von dort aus fliege ich gleich weiter nach New York, sodass wir uns erst in vierzehn Tagen wiedersehen. Wie du ja weißt, muss ich vor dem Literaten-Dinner noch eine Lese- und Signiertournee absolvieren“, erklärte er kühl und beendete das Gespräch.
Nachdem sie ihre Arbeit erledigt hatte, ging Charlie hinüber in Marcos Küche und stellte den Wasserkessel auf, um sich einen Kaffee zu machen. Langsam schaute sie um sich und sah den Raum plötzlich mit ganz anderen Augen …
Die Vorstellung, hier mit Jack und Marco zusammen am runden Tisch zu sitzen, zu essen, zu plaudern oder an dunklen Winternachmittagen Karten zu spielen und Plätzchen zu knabbern, fiel ihr überraschend leicht.
Versonnen trat sie ans Fenster und sah ihre beiden Männer zusammen Fußball spielen, oder später, im Schneegestöber, Schlitten fahren und einen Schneemann bauen …
Marcos Geduld mit ihrem kleinen Sohn hatte sie angenehm überrascht, aber das durfte nicht das alleinige Kriterium für ihre Antwort sein. Doch es gab auch noch einen zweiten Grund, warum sie Marcos Vorschlag ernsthaft in Erwägung zog: Sie fühlte sich einfach schrecklich allein. Nach der wundervollen Zeit in Italien empfand sie diesen Mangel noch viel schmerzlicher als nach ihrer Scheidung von Greg.
Egal, wie oft sie mit sich ins Gericht ging, weil sie sich in einen Mann verliebt hatte, der ihre Gefühle nicht erwiderte … es half einfach nichts. Die Sehnsucht nach seinem starken, warmen Körper und die Erinnerung an die leidenschaftlichen Stunden, die sie in seinen Armen verbracht hatte, hielten sie Tag und Nacht gefangen.
Als sie Marcos Wagen vorfahren hörte, konnte Charlie kaum fassen, wie schnell die Zeit über ihren nutzlosen Grübeleien verflogen war.
„Ich bin in der Küche!“, rief sie, sobald sie Schritte in der Diele hörte. Er änderte die Richtung und trat kurz darauf ein. Charlie spürte seine Blicke in ihrem Rücken. „Möchtest du auch einen Kaffee? Ich brühe ihn gerade frisch auf.“
„Nein danke.“
Während sie das kochende Wasser über das gemahlene Kaffeepulver goss, stieg ein betörendes Aroma auf, das sie an Italien und den frischen Morgenkaffee nach einer Nacht voller Leidenschaft erinnerte.
Bloß nicht daran denken! warnte sie sich selbst.
Charlie hatte sich immer noch nicht umgewandt, als Marco neben sie trat und einen Umschlag auf dem Tresen ablegte.
„Was ist das?“, fragte sie zögerlich.
„Ein Flugticket für den zwanzigsten, von Heathrow nach New York.“
Charlie starrte auf das Kuvert, machte aber keine
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