JULIA EXTRA Band 0276
entgegen. „Eine Insel?“
„ Petaloutha, das bedeutet Schmetterling“, erklärte er. „Ein magischer Ort weiter südlich inmitten der Kykladen.“
„Verbringst du viel Zeit dort?“
„Wann immer ich kann. Mit anderen Worten: die meisten Wochenenden.“
„Aber nicht dieses Wochenende.“
„Nein.“ Sein Blick wärmte sie buchstäblich von innen. „Dieses Wochenende hält mich eine andere Magie gefangen.“
Zum Glück erschien in diesem Augenblick ihr Essen, denn Gina wäre darauf keine passende Antwort eingefallen. Deswegen lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf die Spezialitäten, die vor ihr ausgebreitet wurden: Oliven, sonnengetrocknete Tomaten, Zaziki, Calamares und natürlich ofenfrisches Brot. Nur einen Teller mit kleinen Fleischstücken vermochte sie nicht zu identifizieren.
„Griechische Blutwurst vom Lamm und Schwein, gewürzt mit Pfeffer und Orangenschale“, erklärte Mikos. Er stieß mit seinem Glas gegen ihres. „Trinken wir auf einen Abend der Entdeckungen – für uns beide.“
„Cheers!“, gab sie zurück und nahm tapfer einen großen Schluck von ihrem Drink.
„Nimm lieber kleine Schlückchen“, riet er ihr lachend, als sie sich prompt verschluckte und einen Hustenanfall bekam. „Die ganze Nacht liegt noch vor uns, agape mou .“
„Wenn wir schon dabei sind, uns besser kennenzulernen“, begann sie und fasste sich ein Herz. „Ich bin nach Griechenland gekommen …“
„Stopp!“, unterbrach er sie und legte seine Hand auf ihre. „Ich weiß schon, warum du hierhergekommen bist. Und ich weiß, dass du innerlich so schön bist wie äußerlich. Ich höre Musik in deiner Stimme. Deine Augen verraten, wie leidenschaftlich und großzügig deine Seele ist. Mir reicht das, mehr muss ich nicht wissen. Und wenn du mich nun auf Abstand halten willst, hättest du dich nicht von mir küssen lassen sollen.“
„Du hast mich doch gar nicht geküsst. Jedenfalls nicht heute“, fügte sie leise hinzu und lächelte.
„Noch nicht.“ Er lächelte breit. „Endlich lächelst du wieder. Ich bin fünfunddreißig, Gina. Alt genug, um zu wissen, was ich will. Erfahren genug, um Menschen zu durchschauen. Und schlau genug, ein Geschenk zu erkennen, wenn es mir präsentiert wird.“
„Trotzdem“, warf sie ein und runzelte leicht die Stirn.
„Glaubst du denn, du kennst alle Geheimnisse von mir? Jeder hat eine Vergangenheit, karthula mou, und wir müssen alle mit den Konsequenzen unserer Fehler leben. Aber heute und morgen sind zwei Tage, die wir frei und ungezwungen gestalten können!“
Es war ein verwegener Plan, und Gina dachte lange darüber nach. Die Atmosphäre um sie herum ließ ihr schließlich keine andere Wahl, als das Wagnis einzugehen. Mikos war ein Traummann. Und wenn sie nach Kanada zurückfliegen musste, würde zumindest sein Herz noch intakt sein. Gina hatte sich also nichts vorzuwerfen …
„Warum guckst du so ernst?“, wollte er wissen.
„Ich frage mich“, begann sie leise, „was deine griechischen Koseworte zu bedeuten haben.“
„Sie bedeuten Liebling“, antwortete er mit rauer Stimme. „Mein Liebling, meine Gina.“
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, und ihre Emotionen schäumten über. „Weißt du, ich habe plötzlich gar keinen Hunger mehr.“
„Hast du vorher schon gegessen?“
„Nein, seit gestern Abend nicht mehr.“
Jetzt verstand er ihre Anspielung und drückte mit einem Lächeln ihre Hand. „Dann musst du etwas essen.“ Er dippte ein Stück Brot in das Zaziki. „Hier, fang damit an.“
Er war so fürsorglich, und das gefiel Gina am meisten. Es war unendlich lange her, seit einmal jemand für sie gesorgt hatte.
Ganze drei Stunden schlemmten sie in dem zauberhaften Restaurant, bis sie schließlich satt und zufrieden mit einem Espresso und einem Metaxa beisammen saßen. Beiden war klar, dass in diesem Augenblick, da das Essen beendet war, die eigentliche Nacht begann.
„Kommst du mit zu mir?“, fragte er unumwunden, als sie wenige Minuten später über den Platz spazierten.
„Ja“, sagte sie und nahm seine Hand.
Erstaunt stellte Gina fest, dass er das gesamte Obergeschoss eines riesigen Hauses bewohnte, das modernisiert worden war, ohne ihm seinen ursprünglichen Charme zu rauben.
Oben im großzügigen Foyer zierten abstrakte Kunstwerke die Wände, und durch den Wohnbereich konnte Gina direkt auf eine atemberaubende Dachterrasse mit Swimmingpool blicken. Zitronenbäume wuchsen aus großen Blumentöpfen, und unzählige Blumen verwöhnten
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