JULIA EXTRA Band 0281
Kaffee trinkender, arbeitssüchtiger Nachtmensch wie ich kann sich nicht plötzlich in eine friedliche, sternguckende Yogajüngerin verwandeln.“
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie viel mehr über sich verraten hatte als beabsichtigt. Aber statt sie anzusehen wie jemanden, der dringend einer Therapie bedurfte – was Freya tat –, nickte Tom.
„Mir ist es in der ersten Zeit ebenso ergangen, als ich aus Sydney hierhergezogen bin.“
„Sie sind aus Sydney?“, hakte Maggie erstaunt nach.
„Ja, ich bin dort geboren und aufgewachsen, aber das ist schon eine Weile her. Hier bin ich schon seit Längerem und habe mich an Sand und Salzwasser gewöhnt. Warten Sie nur ab, es wird Ihnen auch noch gelingen“, versicherte er ihr aufmunternd.
Sie errötete. Merkte man ihr so deutlich an, dass Sand und Salzwasser nicht zu ihren absoluten Favoriten zählten? Und dass sie wünschte, es wäre so? Denn das wäre der Beweis gewesen, dass sie ihr Leben ändern konnte.
„Hatten Sie in Sydney denselben Beruf?“, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
„Sozusagen. Ich war als Restaurator tätig.“
„Von Häusern?“
„Ja, vor allem von solchen unter Denkmalschutz.“
„Davon gibt es in Sydney ja genug, aber hier nicht. Warum sind Sie hierhergezogen?“, wollte sie wissen.
„Ich habe als Kind meine Sommerferien hier verbracht, und mein Cousin Alex lebt ganz in der Nähe“, erklärte Tom.
„Soviel ich gesehen habe, lassen die Leute hier aber alte Häuser eher abreißen als renovieren“, meinte Maggie. „Das wäre auch mit Belvedere passiert, wenn ich es nicht gekauft hätte. An Restauratoren scheint also kein großer Bedarf zu bestehen.“
„Macht nichts. Ich arbeite ohnehin nicht mehr in der Branche.“
„Warum nicht?“
Er antwortete nicht sofort, und nun lächelte er auch nicht mehr. Doch es war zu spät, sie konnte die Frage leider nicht zurücknehmen.
„Weil ich mein ganzes Leben ändern wollte, nachdem meine jüngere Schwester gestorben war.“
„Oh!“, sagte Maggie leise, und ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie wünschte, sie könnte die Zeit zurückdrehen bis zu dem Punkt, bevor sie Tom Campbell zu sich bestellt hatte, damit er ihr Dickicht rodete. „Tom, es tut mir so leid. Es geht mich ja gar nichts an, was Sie …“
„Schon gut“, unterbrach er sie und zuckte die Schultern. Er wirkte plötzlich bedrückt. „Wenn Tess jetzt hier wäre, würde sie Sie mit Fragen förmlich löchern. Sie hatte zwar so viel Talent zum Malen wie Sie, Maggie, zum Gärtnern haben, aber sie liebte Kunst über alles. Ja, sie war ein komisches Mädchen. Jedenfalls ist mir nach ihrem Tod die Entscheidung leichtgefallen, hierherzuziehen, auch wenn Restauratoren nicht hoch im Kurs stehen.“
Maggie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte mehr über Tom erfahren, als sie eigentlich wissen wollte. Als sie gerade überlegte, den Rückzug anzutreten, fragte er: „Wollen Sie einen Tipp fürs Einschlafen?“
„Wenn er hilft.“
„Sie müssen sich nur auf die Klänge des Meeres konzentrieren. Die Schreie der Möwen, das Rauschen der Brandung, das Tuten der großen Dampfer draußen. Und dann fragen Sie sich, wie Sie es so lange als Landratte ausgehalten haben.“
Er lächelte nun wieder, und sein attraktives Gesicht wurde noch anziehender.
Sie schüttelte skeptisch den Kopf. „So einfach kann es nicht sein.“
„Wissen Sie nicht, dass es Menschen gibt, die sich CDs mit Meeresrauschen als Einschlafhilfe kaufen?“
„Na, dann wünsche ich denen viel Glück.“
Tom lachte über ihre Starrköpfigkeit. Es wunderte sie gar nicht, dass sein Lachen tief und ansteckend klang. Er war der lebende Beweis, dass ihre Freundinnen recht hatten, wenn sie behaupteten, dieser Ort hier würde mit seiner Ruhe und guten Luft ein glückliches Leben fördern.
Sie blickte ihm in die Augen und las darin eine unmissverständliche Einladung. Als er unerwartet einen Schritt auf sie zumachte, wich sie hastig zurück und stieß mit der Ferse gegen die unterste Stufe.
Tom hob beide Hände. „Ich wollte mir nur mein Sandwich holen“, erklärte er beschwichtigend.
„Natürlich. Ich war nur kurz in Gedanken weit weg und deshalb …“ Sie ging beiseite, um ihm Platz zu machen.
Er nahm das Sandwich und den Becher Kaffee und zog sich damit ein Stück zurück. Anscheinend merkte er, dass sie eine gewisse Distanz brauchte, um frei atmen zu können. Herzhaft biss er ein Stück Brot ab und trank einen Schluck Kaffee. Dann seufzte er
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