JULIA EXTRA Band 0281
nicht. Vielmehr errötete sie plötzlich heftig.
„Mir fällt gerade ein, dass ich das letzte Bargeld gestern für Farbe ausgegeben habe“, gestand Maggie. „Kann ich Ihnen stattdessen einen Scheck ausstellen?“
„Ja, das geht in Ordnung“, versicherte er, ungewohnt kurz angebunden. „Es eilt aber nicht. Sie können mich nicht um meinen Lohn prellen, weil ich ja weiß, wo Sie wohnen.“
Um die plötzlich aufgetretene, seltsame Spannung zu lösen, versuchte er es mit einem charmanten Lächeln. Es nutzte nichts. Maggie schien sich noch mehr in sich zurückzuziehen.
Unvermittelt hatte er eine Vision von Tess, die ihn herzhaft auslachte, weil er hier versuchte, mit Maggie Bryce zu flirten und sie mit Charme und Humor zu beeindrucken, obwohl sie ihn ansah wie etwas, das ihr den Blick auf Wichtigeres verstellte.
Tess hätte recht gehabt, sich über mich lustig zu machen, gestand Tom sich ein. Aus der Sommerromanze, die er sich seit dem Morgen ausgemalt hatte, würde nichts werden. Maggie duftete nach Ainos, er roch nach Schweiß. Sie war eine echte Städterin, die sich und anderen vorzumachen versuchte, das Strandleben zu schätzen – er hingegen liebte das Leben hier tatsächlich und versuchte so zu tun, als hätte er nie etwas anderes gekannt.
Maggie würde bestimmt nicht lange bleiben. Sie hatte, wie man an der Plane auf dem Boden ablesen konnte, nicht die Absicht, Spuren zu hinterlassen. Nicht im Haus, nicht im Ort und schon gar nicht im Leben eines selbstbewussten Handwerkers, dessen Weg sich zufällig mit ihrem gekreuzt hatte.
„Ist es Ihnen recht, wenn ich morgen Vormittag um zehn Uhr anfange?“, fragte er schließlich.
„Ja. Ob zehn Uhr morgens oder abends, ich werde hier sein, an meine Staffelei gekettet und mit Smiley zu meinen Füßen.“ Unerwartet erhellte ein scheues Lächeln ihr Gesicht, und sie wirkte nicht länger abweisend, sondern äußerst anziehend, um nicht zu sagen hinreißend.
„Dann bis morgen, Maggie!“, verabschiedete Tom sich und trat den Rückzug an.
„Auf Wiedersehen, Tom.“
Er ging an den Farnen neben der Tür und dem traurig blickenden Smiley vorbei nach draußen und weiter über den vernachlässigten Platz vor dem Haus. Und er wusste eins: Er würde kein einziges Detail seiner ersten Begegnung mit Maggie Bryce vergessen, auch nicht, wenn sie es von ihm wünschen sollte.
3. KAPITEL
Pünktlich um zehn Uhr stellte Tom am nächsten Tag seinen Pritschenwagen hinter Maggies Haus ab. Auf der Ladefläche türmten sich verschiedenste Geräte aus Alex’ Eisenwarenladen.
Wie am Vortag lag Smiley an der Haustür und hob nur kurz den Kopf, um sich hinter den Ohren kraulen zu lassen, und drinnen stand Maggie im großen Zimmer und betrachtete eindringlich die Leinwand auf der Staffelei.
Über Nacht hatte Tom sich eingeredet, dass „Lady“ Bryce nur deswegen einen so starken Eindruck auf ihn gemacht hatte, weil er von den Terpentin- und Farbdämpfen ein bisschen benebelt gewesen war. Als er sie nun wiedersah, musste er sich jedoch eingestehen, dass er sie nach wie vor hinreißend fand, obwohl sie an Schlaflosigkeit litt, keine Möbel hatte und zu kompliziert war, als dass man sich mit ihr einlassen sollte.
Wieder war sie ganz schlicht angezogen. Sie trug ein gelbes Kapuzenshirt zu einer braunen Cargohose und hatte heute ein rotes Tuch um den unordentlich gebundenen Pferdeschwanz gewickelt. Ihre Haltung war allerdings einer Königin würdig. Ihr Parfüm ebenfalls.
Sollte sie ihre abweisende Art jemals länger als ein paar Minuten aufgeben, wäre sie wirklich umwerfend.
Tom blickte unauffällig zu dem Bild und stellte fest, dass es genauso aussah wie am Vorabend, als er es zum letzten Mal gesehen hatte. Obwohl er seit der Schule kein Bild mehr gemalt hatte, wusste er, dass fehlender Schaffensdrang bei einem Künstler nicht einfach daher kam, dass er keinen Termindruck hatte.
Aber vielleicht war es bei Maggie anders? Sie war ja überhaupt eine ganz eigenartige Frau, die lieber mit ihrem Hund zusammen war als mit einem Mann, die anscheinend nur Kaffee trank und keine Möbel besaß.
Er hätte gern den Grund dafür gewusst. Vor allem interessierte ihn, warum sie gegen sein Lächeln so immun war. Und warum ihn das gehörig störte.
„Guten Morgen, Maggie!“, begrüßte er sie.
Rasch drehte sie sich um, und diesmal erkannte sie ihn sofort. „Guten Morgen, Tom!“
Sie hatte Schatten unter den Augen, und wenn sie nicht etwas anderes angehabt hätte als am Vortag, hätte er
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