JULIA EXTRA Band 0281
Erinnerung und ihre Vernunft ihr sozusagen mit vereinten Kräften einen ernüchternden Schlag.
Maggie wich zurück. „Tom!“, flüsterte sie heiser.
„Ja?“, erwiderte er, seine Lippen dicht vor ihren. „Was ist?“
„Warte!“, bat sie und schob ihn weg. Halbherzig und kraftlos, aber es genügte.
„Warum?“, fragte er sanft und sah ihr tief in die Augen.
Sie hätte beinahe vergessen, was sie sagen wollte. Beinahe. Aber sie durfte weder frühere Fehler wiederholen noch neue machen.
„Ich kann einfach nicht, Tom, weil … ich verheiratet bin.“
6. KAPITEL
Tom lachte schallend, obwohl ihm mehr danach war, auf etwas einzuschlagen. Da war er bereit, den ersten Schritt zu machen, alle Vorsicht in den Wind zu schlagen, und da musste Maggie ausgerechnet so etwas sagen!
„Es war kein Scherz“, sagte sie und schaute zugleich schuldbewusst und verlangend zu ihm auf.
„Ich weiß.“ Es schockierte ihn, wie gern er sie immer noch, trotz ihrer Enthüllung, geküsst hätte. Sie hatte sich so gut angefühlt, als sie sich an ihn lehnte: sanft und warm und anschmiegsam … Aber es durfte nicht sein!
Mit einem unterdrückten Seufzer wandte er sich von ihr ab und fuhr sich durchs Haar. Er hätte jetzt einen kalten Guss gebrauchen können, aber das musste warten.
„Und wo steckt dein Ehemann, den man hier noch nie gesehen hat?“, wollte er wissen.
„Carl lebt immer noch in Melbourne.“
Erneut wandte er sich Maggie zu und stellte fest, dass ihre Hände bebten. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und an sich gepresst, bis sie zu zittern aufhörte.
Und wieso das?, fragte er sich. Abgesehen davon, dass er einer Frau in Not immer gern behilflich war, mochte er selbstbewusste Frauen ohne falsche Hemmungen. Frauen, die den ersten Schritt wagten und das Ende einer Beziehung ohne Tränen hinnahmen. Keine zerbrechlichen Wesen mit unordentlicher Frisur und nackten Füßen, die so stur waren, dass sie lieber ohne Sofa auskamen als zuzugeben, dass ihnen das Geld nicht reichte.
„Führt ihr so eine Art offene Ehe?“, fragte Tom schließlich weiter. „Er hat eine Geliebte in der Stadt, während du dir hier einen Strandläufer als Lover hältst?“
Sie zuckte zurück, als hätte er sie geschlagen.
Er verfluchte sich für seine mangelnde Sensibilität. Gift und Galle zu spucken brachte nichts. Das würde nur alles zwischen ihnen zerstören. Und noch hatten sie sich nichts vorzuwerfen. Sie hatten beide nichts Schlimmeres getan, als sich endlich einzugestehen, wie stark die Anziehung zwischen ihnen war.
„Carl hat tatsächlich eine Geliebte in der Stadt“, sagte Maggie leise.
Und er kann sich glücklich schätzen, dass er sich in Melbourne und nicht in Reichweite befindet, weil er sonst ziemliche Schwierigkeiten hätte, dachte Tom aufgebracht.
„Er ist Anwalt“, berichtete Maggie ganz sachlich weiter. „Er war mein Anwalt. Und mein Ehemann. Bis ich herausfand, dass er schon seit über zwei Jahren ein Verhältnis mit einer Kollegin hatte. Sie erwartet ein Kind von ihm. Deshalb habe ich ihn verlassen und die Scheidung in die Wege geleitet.“
Tom erkannte nun, dass ihre abweisende, kühle Art ein Schutzwall war … und das verstärkte seinen Beschützerdrang noch.
Maggie ging zur Brüstung und umfasste sie so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie sah aus, als müsse sie sich festhalten, um nicht umzufallen.
Tom ballte die Hände zu Fäusten. „Und was bin ich jetzt? Sozusagen ein Vergeltungsschlag?“
„Oh nein!“ Sie schloss kurz die Augen. „Ich habe Carl seit einem halben Jahr nicht gesehen und nur über meinen neuen Anwalt mit ihm kommuniziert. Mein Mann weiß nichts von dir, und daher kann ihn deine Anwesenheit hier gar nicht treffen.“
Aber es ging Tom nicht darum, was dieser Carl empfand, sondern was Maggie dachte. Zu welchen Maßnahmen war sie bereit, um sich nicht länger als Opfer zu fühlen? Um ihr Selbstbewusstsein neu aufzubauen? Würde sie ihn, den Mann für alles, auch dazu benutzen?
Die Frage musste fürs Erste unbeantwortet bleiben. Jede Lust, sie zu küssen, war ihm vergangen. Na gut, nicht jede Lust, gestand er sich dann ein, aber wenigstens hatte seine Vernunft inzwischen wieder die Oberhand gewonnen. Es war am besten, wenn er und Maggie erst einmal etwas auf Distanz gingen. Zum Glück stand ja das Wochenende bevor, und er brauchte zwei Tage nicht bei ihr zu arbeiten.
„Ich sollte jetzt lieber gehen, Maggie“, sagte Tom sachlich.
„Das ist wahrscheinlich
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