JULIA EXTRA Band 0281
vollständig gelichtet, die wunderschöne Aussicht auf das Meer freigelegt. Bald würde man zum Strand hinunterlaufen können, und Maggie meinte fast schon den Sand unter den Füßen zu spüren. Der Gedanke, dass die Arbeit dann beendet sein würde, machte sie zugleich aber auch traurig.
Denn dann würde Tom nicht mehr ihr Mann für alles sein.
Vielleicht konnte sie ihn noch etwas länger beschäftigen? Die Wandschränke in den Gästezimmern sahen grässlich aus, und die Tapete im Schlafzimmer war dringend erneuerungsbedürftig. Ja, Arbeiten hätte sie noch genug für ihn, aber kein Geld, um ihn zu bezahlen. Sie konnte ihm ja nicht noch eins ihrer Bilder für die Wand seines Wohnwagens versprechen. Oder wo er sonst lebte.
Sie verbrachte den Tag damit, die Serie der Bilder mit den blauen Wirbeln zu verpacken, und ließ sie per Kurier ihrer erfreuten Galeristin zustellen. Falls die sie für 100 Dollar pro Stück verkaufen konnte, wäre eine weitere Rate der Hypothekenrückzahlung gesichert.
Nur ungern hatte sie sich von dem jüngsten Bild getrennt, das vom Sonnenuntergang in Sorrento inspiriert war, kein richtiges Porträt und keine richtige Landschaft, aber typisch für ihren klaren, farbkräftigen Stil. Das würde am ehesten eine ordentliche Summe einbringen, und plötzlich lag ihr etwas am Geld.
Weil es ihr ermöglichen würde zu bleiben, was ihr immer wichtiger wurde.
Abends kam Tom und verkündete: „Ich bin fertig.“
Es klang so endgültig, dass ihr kurz der Atem stockte. „Fertig für heute … oder überhaupt?“, hakte sie nach.
„Ganz und gar fertig. Ich habe meinen Auftrag erfüllt.“ Er wirkte steif und lächelte ausnahmsweise nicht.
Nun wusste sie, dass er wegen der Auseinandersetzung noch immer böse auf sie war. Dabei hatte sie ihm doch nur helfen wollen, seine seelischen Probleme zu erkennen.
„Du hast noch einen Tag Zeit, falls du den brauchst“, sagte Maggie rasch und versuchte trotzdem, kühl zu klingen.
„Ich muss noch ein bisschen aufräumen, aber der Pfad zum Strand ist frei. Ausprobiert habe ich ihn noch nicht, weil ich dachte, du möchtest die Erste sein. Sollen wir den Weg jetzt gemeinsam begutachten?“
„Nein, ich glaube, ich warte bis morgen, dann habe ich mehr Muße“, erwiderte sie.
„Okay, dann bis morgen.“
„Möchtest du Big Blue jetzt schon mitnehmen?“
Tom blickte zu der Ecke, wo jetzt nur noch das eine Bild stand. „Wo sind denn die anderen?“
„Weggeschickt. Ich hoffe, meine Galeristin kann sie zu Geld machen.“ Sie hob das Bild auf und drückte es ihm in die Arme. „Nimm es am besten gleich mit.“
Es würde schlimm genug werden, sich von Tom zu verabschieden. Womöglich brach sie in Tränen aus und flehte ihn an, zu bleiben, sie in die Arme zu nehmen und endlich, endlich zu lieben!
„Ich kann es nicht annehmen“, lehnte Tom ab.
„Wieso nicht?“ Maggie war bestürzt. Hoffentlich wollte er nicht doch bar bezahlt werden. Sie hatte fast ihr ganzes Geld für die neuen Möbel ausgegeben.
„Weil es zu persönlich ist“, lautete jedoch seine erstaunliche Antwort. „Es muss einen Grund haben, warum du dich unbewusst porträtiert hast. Deshalb solltest du das Bild vielleicht lieber behalten.“
„Jedes Bild, das ich jemals verkauft habe, war die Darstellung einer realen Person. Das ist nun mal mein Metier. Auch Rembrandt hat viele Selbstporträts gemalt, und du willst doch nicht behaupten, du würdest ein Selbstbildnis von ihm ablehnen mit der Begründung, es wäre zu persönlich.“
„Da hast du recht“, gab Tom zu. „Aber ich dachte, diese ganze Serie hätte eine besondere Bedeutung für dich. Als du dein Gesicht in dem Bild entdecktest und dich dann an meiner Schulter ausweintest, dachte ich …“
„Verdammt, Tom, ich bin pleite!“, rief sie.
Wieso versuchte er, ihr ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn sie doch nur ihren Job machte? Tom blickte sie schweigend an, so lange, bis sie ihn am liebsten geschüttelt hätte.
„Wenn ich die Bilder nicht verkaufe, kann ich Belvedere nicht behalten, so einfach ist das“, erklärte sie schließlich mühsam beherrscht. „Vielleicht hast du es ja noch nicht mitbekommen, aber ich bin eine anerkannte Künstlerin. In den letzten zwei Jahren habe ich gut mit meinen Bildern verdient … was auch mit ein Grund für Carl war, sich nach einer Frau umzusehen, die ihn – im Gegensatz zu mir – wirklich brauchte.“
Toms Gesicht verfinsterte sich, aber er blieb stumm.
„Bei der Trennung von
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