JULIA EXTRA Band 0281
in ihrem Zimmer stehen. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bevor sie seine Schritte auf dem Teppich des Flurs und die Vordertür auf- und zugehen hörte.
Langsam entspannte sie sich und machte sich auf den Weg nach unten.
Joey lief gerade mit einem Bilderbuch hinüber zu Vi, drehte sich aber zu ihr um, als sie den Raum betrat.
„Das war mein Daddy“, rief er ihr aufgeregt zu. „In diesem Buch ist auch ein Daddy drin. Schau.“
Er öffnete das Buch und hielt ihr die Seite hin, auf der eine glückliche Kleinfamilie mit einem Baby und einem Kleinkind zusammen am Tisch beim Essen saß. Clare mochte das Buch nicht sonderlich, eben wegen dieser Kleinfamilie. Joey aber hatte es ausgewählt, weil darin eine Szene abgebildet war, in der das kleine Kind mit einer sehr beeindruckenden Spielzeuggarage spielte.
Seine kleinen Fingerchen zeigten auf jede Person der Abbildung „Mummy, Daddy, ich.“ Dann runzelte er seine Stirn. „Baby“, sagte er und sah nachdenklich zu Clare. „Wir haben kein Baby.“
Sie musste schlucken, als sie sagte: „Nein, aber stattdessen haben wir eine Oma. Diese Familie ist anders als wir, Joey.“
„Können wir meinen Daddy behalten?“, fragte er sie unvermittelt.
Clare sah, dass Vis Augen auf ihr ruhten. Augen, die nichts sagten, aber alles sahen und wussten.
Clare ging neben Joey in die Hocke und nahm ihn in den Arm. „Schatz, dein Daddy wohnt nicht in diesem Land. Er reist um die ganze Welt. In viele, viele Länder. Du wirst ihn leider nicht so oft sehen.“
Joeys Blick verfinsterte sich. „Er hat gesagt, er kommt wieder. Wann?“
„Bald“, antwortete ihm Clare und stand wieder auf.
Zu bald, dachte sie bei sich.
Bei diesem Gedanken wurde ihr übel.
Xander gab ihr Zeit bis zum Wochenende und nutzte die ihm verbleibenden Tage. Er flog nach Genf, Mailand und Paris und erledigte in anstrengenden Besprechungen ein beträchtliches Arbeitspensum.
Außerdem entledigte er sich Sonja de Lisles. Er brauchte sie nicht mehr. In dieser Situation wäre sie lediglich eine unnötige Komplikation gewesen.
Als er ihr die Neuigkeit eröffnete, ließ sie ihn ihre Wut überaus deutlich spüren. Mit blitzenden Augen und laut fluchend stürmte sie aus seiner Wohnung. Dabei waren ihre Koffer bis zum Bersten gefüllt mit jedem Kleidungsstück, Accessoire und Schmuckstück, das er ihr jemals gekauft hatte.
Vier Stunden später rief sie ihn an und säuselte, dass alles ein Fehler gewesen sei, er möge doch zu einem intimen Abendessen zu ihr kommen. Er hatte ihr im Apartmentkomplex Grosvenor eine Wohnung angemietet, um ihr die Trennung zu erleichtern.
Er hatte einfach aufgelegt. Diese Spielereien bedeuteten ihm nichts mehr. Er war ihrer überdrüssig geworden.
Unwillkürlich musste er an eine andere Zeit denken, als er sich von einer anderen Frau verabschiedet hatte.
Diese ausdruckslosen Augen, diese starre Miene, dieses beklemmende Schweigen …
Jetzt kannte er den Grund. Sie hatte gewusst, dass sie schwanger war, und als er sich von ihr trennte, entschied sie, dass sie ihm aus Rache sein Kind vorenthalten würde. Das Gleiche tat sie jetzt, indem sie sich weigerte, ihn zu heiraten. Sie hielt ihn von seinem Sohn fern! Und sie hat den Nerv zu behaupten, das läge daran, dass ich mit Kindern keinerlei Erfahrung habe, dachte er wütend.
Sie war schuld. Sie hatte ihm seinen Sohn entzogen, und jetzt warf sie ihm vor, dass er nichts über ihn wusste. Wie sollte er auch? Aber das würde er, Xander Anaketos, sich nicht gefallen lassen.
Er unterdrückte den Zorn, der ihn zu erfassen drohte. Er würde seinen Sohn bekommen. Joey würde bei ihm aufwachsen, daran bestand für ihn kein Zweifel. Er würde alles unternehmen, was dafür erforderlich war. Denn er wollte Joey ein Vater sein.
Xander griff zum Telefon auf seinem Schreibtisch und rief seine Assistentin an. Die Anweisungen, die er ihr gab, hatten nichts mit dem Geschäft zu tun …
5. KAPITEL
„Nun“, meldete sich Vi bestimmt zu Wort, „meiner Meinung nach ist es genau das Richtige, damit sich Klein-Joey an Sie gewöhnt.“ Sie lächelte freundlich.
Clare, die am äußersten Ende des Sofas saß, starrte Vi entsetzt an. „Das kann nicht dein Ernst sein!“
Wie konnte Vi sich nur auf Xanders Seite schlagen? Wie konnte sie auch nur höflich zu ihm sein? Sie war sogar mehr als nur höflich, sie behandelte ihn mit Wohlwollen. Als Xander heute, am Samstag, kurz nach dem Mittagessen aufgetaucht war, hatte sie Clare beinahe genötigt, mit ihm und
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