JULIA EXTRA Band 0281
Joey in den Park zu gehen!
Mit eisernem Schweigen hatte Clare den Kinderwagen geschoben, während Xander seine ganze Aufmerksamkeit auf Joey richtete, mit ihm spielte und scherzte. Es war beinahe so, als sei es das Normalste auf der Welt, so als würden Vater und Sohn sich immer schon kennen. Es war einfach furchtbar gewesen.
Als er nach vier Tagen wieder bei Vi aufgetaucht war, waren Clares Hoffnungen wie Seifenblasen zerplatzt. Sie hatte sich doch tatsächlich an die Möglichkeit geklammert, dass er ins Ausland gegangen war, weil seine internationalen Geschäfte seine Anwesenheit erforderten.
Diese wenigen Tage Ruhe hatten ihr erlaubt, den Schock zu verarbeiten, den sein plötzliches Auftauchen bei ihr ausgelöst hatte. Sie hatte die Zeit bekommen, um zu akzeptieren, dass der Albtraum Realität geworden war. Dass Xander Anaketos wirklich von Joey erfahren hatte … Und dass er an Joeys Leben teilhaben wollte.
Schmerzhaft musste sich Clare eingestehen, dass auch Joey dieser Ansicht zu sein schien. In den vergangenen Tagen war er in seiner kindlichen Art immer wieder auf seinen Vater zu sprechen gekommen. Clare hatte zwar so gut es ging versucht, das Thema zu wechseln, doch ausgerechnet Vi antwortete ihm sachlich auf seine Fragen.
„Er kommt, sobald er kann, Lämmchen. Daddys müssen arbeiten, weißt du noch? Er hat sehr viel zu tun.“
Aber nicht genug, wie es schien. Clare hatte sein monströses Auto vorfahren hören, als Joey gerade sein Mittagessen beendete. Alles Gefühl war aus ihrem Herzen gewichen. War er denn verrückt geworden, dass er dachte, sie und Joey würden mit ihm in Urlaub fahren? Und trotzdem hielt es Vi für den normalsten Vorschlag der Welt.
„Doch“, konterte Vi. „Ein gemeinsamer Urlaub wäre genau das Richtige. Es ist sogar eine sehr gute Idee.“
„Ich will aber nicht“, rief Clare vehement.
Vi warf ihr einen festen Blick zu. „Joey hat ein Recht auf seinen Vater“, antwortete sie ruhig. Dann wanderten ihre Blick zu Xander. Fast unmerklich nickte er ihr bestätigend zu.
Aus Clares Miene sprach nur ein Wort: „Verräterin“. Sie musste sich zusammenreißen, um ihrer Freundin nicht ihre Enttäuschung ins Gesicht zu schleudern.
„Er kann doch herkommen und ihn besuchen!“, entgegnete sie.
„Das wird er, meine Liebe. Das tut er ja schon, und das ist auch alles gut und schön. Aber Joey muss mehr Zeit mit ihm verbringen, als das bei einem Ausflug in den Park möglich ist oder während er im Haus spielt. Wie gesagt, ein Urlaub wäre genau das Richtige.“
„Ich kann dich aber nicht alleine lassen, Vi“, brachte Clare verzweifelt hervor. „Du schaffst das doch gar nicht ohne Hilfe.“
„Darum hab ich mich schon gekümmert“, warf Xander ein. „Mrs. Porter war so freundlich, ein kleines Zeichen meiner Dankbarkeit für ihren jahrelangen Beitrag an der Betreuung meines Sohnes anzunehmen. Während Joey verreist ist, wird sie ebenfalls im Urlaub sein.“
„Das ist richtig“, bestätigte Vi. „Obwohl man mir nicht danken muss. Clare und Joey sind wie eine Familie für mich. Aber ich freue mich sehr, Devon wiederzusehen.“
Clare fühlte sich immer mehr von ihrer Freundin im Stich gelassen. „Aber da wollten wir doch eigentlich alle zusammen im Sommer hin …“
„Ja, Schätzchen. Doch so ein Wohnmobil wäre für mich etwas schwierig gewesen, nicht?“, versuchte Vi sie zu besänftigen. „Das Hotel, in das ich jetzt gehe, ist auf die Bedürfnisse älterer Menschen eingestellt und liegt direkt an der Strandpromenade. Es könnte nicht besser sein. Außerdem wird in dieser Jahreszeit die Stadt auch nicht so überfüllt sein, und das Wetter ist nicht zu heiß für mich.“
„Also, hast du noch mehr Einwände?“, fragte Xander kühl.
Clares Blick schoss zu dem Mann am anderen Ende des Sofas. Sie spürte tief in ihrem Innern ein heftiges Kribbeln, konnte es aber nicht kontrollieren. Xander trug heute keinen Anzug. Seine Kleidung mochte zwar leger und entspannt wirken, aber man sah ihr auf den ersten Blick an, dass sie extrem teuer war. Der dunkelblaue Pulli war aus Kaschmir, seine Schuhe waren handgefertigt, und seine hellgraue Hose war maßgeschneidert.
Allerdings rief nicht seine Garderobe das Kribbeln hervor.
Dafür sorgte eher der Körper darunter, an den sie sich nur allzu gut erinnerte.
Der Körper, den sie einst voll sinnlicher Vertrautheit erkundet hatte. Aber daran durfte sie jetzt nicht denken! Sonst war sie verloren. Und zwar für immer.
Das kann ich
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