JULIA EXTRA Band 0286
eine Demonstration und wünschte insgeheim, dass sie ihre eigenen Probleme damit hinwegzaubern könnte.
„Du hast recht – das hört sich wirklich gut an. Um wie viel Uhr ist dein Termin?“
Mia sah auf die Armbanduhr. „In einer halben Stunde. Drück mir die Daumen.“
Das Vorsprechen dauerte weniger als zehn Minuten. Als Mia erschien, bat man sie auf ein Podium, wo sie aus einem Kinderbuch vorzulesen hatte.
Nach der ersten Seite gab ihr die Leiterin ein Zeichen. „Ausgezeichnet. Sie bekommen den Job, morgen können Sie anfangen.“
„Ist das alles? Ich kann noch viel mehr. Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen, wie man …“
„Danke, das ist nicht nötig, Sie sind perfekt für die Rolle. Und Sie wurden uns wärmstens empfohlen.“ Sie reichte Mia ein Blatt Papier. „Hier ist eine Liste mit den Details … Uhrzeiten, Kontaktpersonen und was Sie sonst noch wissen müssen. Viel Spaß als Fee.“
„Wie ist es gelaufen?“, fragte Gina eifrig, als Mia die Wohnungstür öffnete.
„Gut. Ich bin eingestellt worden.“ Sie krauste die Stirn.
„Warum machst du dann so ein Gesicht?“
„Ich weiß nicht … Irgendwie habe ich ein komisches Gefühl.“
„Wieso? Gefällt dir der Job nicht?“
„Im Gegenteil, er ist traumhaft. Ich mache kranken Kindern das Leben leichter und werde obendrein dafür bezahlt.“ Sie seufzte.
„Du denkst an ihn , nicht wahr?“
„Ich gebe mir große Mühe, das nicht zu tun.“
„Gerade lief seine Sendung im Radio.“
Mia verkrampfte sich. „Ich nehme an, er war so arrogant wie üblich.“
„Eigentlich nicht. Er hat nicht viel gesprochen, und die Songs waren alle ziemlich gefühlvoll, anders als sonst.“
„Wahrscheinlich spielt er den unglücklichen Ehemann“, erwiderte sie verächtlich. „Damit ihn seine Fans bedauern und die Einschaltquote steigt.“
„Ich weiß nicht … In der Zeitung steht, dass er seinen Vertrag nicht erneuert.“
Sie lachte zynisch. „Kein Wunder. Jetzt, wo er seine Großtante beerbt hat, ist er so reich, dass er gar nicht mehr weiß, was er mit dem ganzen Zaster anfangen soll.“
„Anscheinend hat er ihr Vermögen einem Kinderhilfswerk gespendet. Zumindest wird das in dem Artikel behauptet, und seine Anwälte sollen es bestätigt haben.“
Mia sah ihrer Freundin stumm ins Gesicht. Dann fragte sie: „Hast du die Zeitung noch?“
„Ich glaube schon. Wo habe ich sie … Ah, hier ist sie.“
Sie las den Artikel und wurde blass.
„Was hast du?“, fragte Gina besorgt. „Ist dir schlecht?“
„N…nein.“ Sie versuchte zu lächeln. „Ich … Der neue Job macht mich ein bisschen nervös.“
Am nächsten Tag meldete sie sich pünktlich im Krankenhaus. Die Stationsschwester brachte sie zu ihrem ersten Patienten, einem kleinen Jungen mit großen dunkelbraunen Augen.
„Bist du wirklich eine Fee?“, fragte er.
„Natürlich bin ich das. Schau, das ist mein Zauberstab, und das hier …“, sie zeigte ihm den Glitzerstaub, „… ist ein magisches Pulver. Damit vertreibe ich deine Schmerzen.“ Sie streute ein wenig auf sein Bett.
Der Kleine betrachtete sie skeptisch.
„Du glaubst mir wohl nicht, wie? Wo tut es dir denn im Moment weh?“
Er überlegte einen Moment, dann grinste er, wobei eine Lücke in den Vorderzähnen sichtbar wurde. „Nirgends. Ich hab gar nicht mehr daran gedacht.“
„Siehst du?“ Mia stand auf und lächelte.
Ihr nächster Patient war ein etwa sieben Jahre altes Mädchen mit Leukämie, das durch die vielen Bestrahlungen alle Haare verloren hatte. Der Anblick der Kleinen schnitt Mia tief ins Herz, als die Krankenschwester sie ins Zimmer führte.
„Wie heißt du denn?“, fragte sie, als sie sich zu dem Kind aufs Bett setzte.
„Ellie. Mein richtiger Name ist Eleanor, aber das kann ich noch nicht buchstabieren.“
„Meine Schwester heißt auch Ellie, genauso wie du.“
„Ich habe keine Schwester, aber einen kleinen Bruder. Er ist erst zwei.“
„Und du vermisst ihn sehr, nicht wahr? Deine Eltern bestimmt auch. Die Krankenschwester sagt, deine Familie wohnt auf einer Farm, weit weg von Sydney. Da besuchen sie dich wohl nicht sehr oft, oder?“
Traurig schüttelte Ellie den Kopf; dann leuchtete ihr kleines Gesicht auf. „Aber jetzt bist du mich besuchen gekommen. Stimmt es, dass du zaubern kannst?“
Mia schluckte – sie fühlte sich wie eine Hochstaplerin. Doch dann nickte sie. „Ein bisschen. Siehst du den Zauberstab hier?“ Sie schwenkte das goldfarbene Stöckchen ein paar Mal hin
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