JULIA EXTRA Band 0286
sie ein eigenartig unwirkliches Gefühl verspürte. Noch hatte sie sein Gesicht nicht gesehen und dennoch den Eindruck, sie würden sich auf intime Weise kennen.
Unglaublich! Und nur ein ganz kleines bisschen erschreckend.
„Wessen nicht sonderlich brillante Idee war es, das Shooting in der Mittagshitze anzusetzen?“
„Es ist wegen des Lichts, Señor Menendez. Gerade jetzt wirkt es perfekt“, erklärte der Chef der Werbekampagne etwas kleinlaut.
„Sind wir so unzivilisiert? Lassen wir nicht während der Siesta die Arbeit ruhen?“
„Ich muss mich entschuldigen, Señor. Wenn wir gewusst hätten, dass Sie das Shooting beaufsichtigen wollen, hätten wir es auf eine andere Zeit gelegt.“
Der Mann hinter Amber lachte. Er hatte ein wunderbar warmes und volles Lachen. „Ich bin nicht um mich besorgt.“
Wieder überfiel Amber der seltsame Drang, die Beinmuskeln anzuspannen. Sie zwang sich, einen Schritt nach vorn zu machen und so seinen Händen zu entkommen, die mittlerweile auf ihren Schultern lagen. Wann hatte sie je die Berührung eines Mannes verlängern wollen? Keine einzige Situation kam ihr in den Sinn. Männer waren entweder Vertragspartner oder Requisiten bei Fotoshootings, sonst nichts.
Sie drehte sich um und sah Miguel Menendez zum ersten Mal. Was hatte sie noch über ihn gelesen?
Seiner Familie gehörte Menendez Industries , die Muttergesellschaft der Handyfirma, für deren Werbekampagne sie gerade posierte. Obwohl Vater und Großvater immer noch aktiv die Geschäfte leiteten, waren Analysten sich einig, dass Miguel für die meisten Expansionen der letzten fünf Jahre die Verantwortung trug.
Neben weiteren Hightech-Projekten hatte er die Mobilfunksparte ins Unternehmen geholt, was sich für das über hundert Jahre alte und viele Milliarden schwere Familienunternehmen als überaus lukrativ erwies.
Amber hatte ihre Hausaufgaben gemacht und so viel wie möglich über die Firma und das Produkt, für das sie werben sollte, gelernt. So bereitete sie sich immer auf einen Auftrag vor. Doch absolut gar nichts hatte sie auf das Gefühl vorbereitet, dem Milliardär persönlich gegenüberzustehen.
Natürlich kannte sie Fotos aus Klatschzeitschriften – aber kein Bild fing das Wesen dieses Mannes auch nur ansatzweise ein. Die Schnappschüsse zeigten nichts von der überwältigenden Anziehungskraft oder der unglaublichen maskulinen Präsenz.
Groß, schlank und muskulös. Mit seinen eins neunzig besaß Miguel Menendez einen Körper, für den die meisten männlichen Models ein Jahresgehalt geopfert hätten. Hemd und Hose von Dolce & Gabbana trug er, als wären sie nur für ihn gemacht worden. Was wahrscheinlich sogar stimmte. Amber erkannte Schnitt und Stil der beiden Designer, sah jedoch auch kleine Unterschiede, die darauf hinwiesen, dass diese beiden Kleidungsstücke nicht zur Kollektion der Laufstege gehörten.
In seinen grauen Augen las sie Interesse und offene Freundlichkeit, die sie überraschte.
Seine aristokratischen Gesichtszüge und die dunklen lockigen Haare waren hinreißend, aber da gab es noch etwas. Und genau dieses Etwas ließ Amber in dem unbehaglichen Schweigen, das sich nach seinem letzten Kommentar über die Anwesenden gesenkt hatte, noch einen Schritt rückwärts machen.
Er lächelte. „Meine Sorge gilt dieser bezaubernden jungen Lady, deren Schönheit nicht durch einen Sonnenbrand beeinträchtigt werden sollte.“
„Wir haben Amber mit Lichtschutzfaktor fünfzig eingecremt“, erklärte der Fotograf kurz angebunden.
Miguel kniff die Augen zusammen. „Sie tragen ein langärmliges Hemd und einen Hut. Sehr vernünftig … aber unterdessen tut sie so, als würde sie mit nichts weiter als drei dreieckigen Stofffetzen bekleidet telefonieren.“
„Sie ist ein Model.“
Und das sagte alles. Ihr Körper war ein Werkzeug. Um Produkte zu verkaufen. So lautete das Gesetz nun einmal, und es störte Amber nicht einmal.
Doch offensichtlich ärgerte es Miguel Menendez. Was für ein Glück, dass nicht ich es bin, die er mit seinem Blick vernichtet, dachte Amber. Betreten zupfte der Fotograf an seinem Kragen und sah flehend zum Kampagnenleiter hinüber, der wiederum Miguel ungläubig anstarrte.
„Sie ist eine wunderschöne Frau, um die Sie sich besser kümmern sollten, wenn wir mit ihrem Gesicht die Menschen dazu bringen wollen, unsere Produkte zu kaufen.“ Dann wandte er sich an Amber, und seine harte Miene wurde weicher. „Obwohl ich immer noch nicht ganz verstehe, was eine kaum
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