JULIA EXTRA Band 0286
meinte. In allen Artikeln, die sie gelesen hatte, war er als aufrichtiger Mann beschrieben worden. Und als fair. Sie beschloss, daran zu glauben.
Solange sein Finger auf ihren Lippen ruhte, konnte sie nicht antworten. Nun, sie hätte gekonnt, fand es jedoch schon schwierig genug, mit dem eigenartigen Gefühl zurechtzukommen, das die Berührung in ihr auslöste. Deshalb nickte sie kurz.
Miguel lächelte und ließ die Hand sinken. „Gut.“
Für das Fotoshooting war ein Bereich des Strands abgesperrt worden. Miguel führte Amber zu einem kleinen Café außerhalb dieser Zone. Dort setzten sie sich an einen Tisch.
Ein junger Kellner eilte zu ihnen, und seine Augen weiteten sich, als er den Gast erkannte. Offensichtlich war Miguel Menendez ein Prominenter in seinem Heimatland – wie die Hollywoodschauspieler in ihrem.
Ihr Gastgeber bestellte zwei Gläser Fruchtsaft, bevor Amber ihr übliches Glas Wasser ordern konnte. Gut, die Mineralien würden nicht schaden. Und die zusätzlichen Kalorien zog sie mit einem innerlichen Schulterzucken bereits vom Abendessen ab.
„Wollten Sie schon immer Model werden?“, fragte er, nachdem der Kellner gegangen war.
„Ja. Und was ist mit Ihnen? Wollten Sie immer ein Tycoon werden?“
Er lachte. Das Geräusch ließ ihre Nervenenden vibrieren. „Ich wurde mehr oder weniger als einer geboren. Mein Vater war Geschäftsmann und sein Vater ebenfalls.“
„Aber Sie haben das Familienunternehmen zu beispiellosem Erfolg geführt.“
Aufmerksam musterte er sie. „Lesen Sie die Klatschmagazine?“
„Eher Fachzeitungen. Meine Mutter arbeitet als Finanzberaterin. Ich bin mit Gutenachtgeschichten aufgewachsen, in denen der große böse Wolf überbewertete Obligationen verkauft hat und der Märchenprinz solide Kapitalanlagen.“
„Dann überrascht es mich umso mehr, dass Sie sich für diese Karriere entschieden haben.“
„Warum? Ich habe in eine Anlage investiert, die ich nach Belieben berechnen kann … mein Aussehen. Ich habe wirklich hart gearbeitet, um eine lukrative Dividende zu erhalten. Im Gegensatz zu anderen Geschäftsstrategien halte ich mein Vorgehen für eine profitable Investition, da ich die volle Kontrolle über alle Vorgänge behalte.“
„Und? Sind die Gewinne die Arbeit wert?“ Unterschwelliger Respekt hatte sich in seine Stimme geschlichen.
„Was ist mit Ihnen? Rechtfertigen Ihre Erfolge Ihre Opfer?“
„Ja. Was ist schon ein langer Arbeitstag verglichen mit der Sicherheit meiner Familie?“
Dass er sich für seine Familie verantwortlich fühlte, gefiel Amber. In ihrem Leben gab es nur ihre Mom, die sie über alles liebte. Amber nippte an dem Saft. „Glücklicherweise muss ich seit meinem Universitätsabschluss vor zwei Jahren nicht mehr vierundzwanzig Stunden am Tag arbeiten.“
„Sie haben studiert?“
„Überrascht Sie das?“
„In Anbetracht Ihrer Hingabe an Ihre Karriere, ja. Empfanden Sie das Studium nicht als hohen Preis, bevor Sie das eigentliche Ziel Ihres Lebens anstreben konnten?“
„Schon, aber meine Mom war anderer Meinung. Sie hat mich immer in meinem Wunsch, Model zu werden, unterstützt. Allerdings dauert diese Karriere nicht ewig. Und je besser meine Ausbildung, desto professioneller kann ich auch meine Karriere managen.“
„Gibt es dafür nicht einen Agenten?“
„Ein Model, das seine Karriere vollständig in die Hände von anderen legt, kann sich genauso gut gleich selbst disqualifizieren.“
„Das klingt wie ein gut einstudierter Grundsatz.“
„Ist es auch.“
Wieder lag Wärme und Anerkennung in seinem Blick. „Ich mag Sie, Amber.“
„Und ich glaube, ich könnte Sie auch mögen, Miguel.“
„Nur glauben?“
„Ich bin ein vorsichtiger Mensch.“
Er warf den Kopf in den Nacken und lachte.
Tief in ihrem Inneren, ganz in der Nähe ihres Herzens, brachte dieses Lachen etwas zum Schmelzen.
Miguel war da, als das Shooting zwei Stunden später endete.
Tatsächlich war er die ganze Zeit über geblieben und hatte dem Leiter der Kampagne, dem Fotografen und auch ihr Fragen gestellt. Brannte der Boden zu heiß unter ihren nackten Füßen? Wollte sie etwas trinken? Und dann fragte er, was sie eigentlich von der ganzen Kampagne hielt.
Sie bat um eine kleine Pause, trank einen Schluck Wasser und sagte es ihm. Die Vision des Designers beeindruckte sie. Sie glaubte an den Erfolg der Kampagne.
„Sie haben den Markt studiert?“
„Würden Sie das nicht tun, wenn es Ihr Job ist, ihn zu
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