JULIA EXTRA Band 0287
stand am Fenster hinter ihrem Schreibtisch und sah gedankenverloren auf die Straße, als sich die Tür zu ihrem Büro öffnete.
„Dachte ich es mir doch, dass ich dich hier finde“, sagte Kerry.
Jordan drehte sich zu ihr um und lächelte schwach. „Und woher wusstest du das?“
„Weil du schon den ganzen Abend in nicht gerade geselliger Laune bist. Du konntest es gar nicht abwarten, dass das Dinner endlich vorbei ist, nicht wahr?“
„Ich hatte heute Abend keinen großen Appetit“, entgegnete Jordan.
„Das Essen war aber doch gut, oder?“
„Sehr gut.“ Jordan blickte auf ihre Uhr. Sie musste bald gehen. Gino hatte sie gewarnt, nicht zu spät zu kommen, und er hatte sich bereits vor zehn Minuten auf den Weg gemacht.
„Wie bist du mit Mr. Bortelli zurechtgekommen?“
„Was?“ Jordan schaute überrascht auf. „Oh, ganz gut. Er mochte das Essen.“
„Er hat doch keine Annäherungsversuche gestartet, oder?“
Jordan versteifte sich. „Wie kommst du denn darauf?“
„Nur so ein Gefühl. Du hast sehr … angespannt gewirkt.“
Für den Bruchteil einer Sekunde war Jordan in Versuchung, Kerry alles zu erzählen. Doch das konnte sie nicht.
„Ich bin immer noch ziemlich erschöpft von der vergangenen Woche. Der Johnson-Fall war ziemlich stressig. Vielleicht … vielleicht gönne ich mir demnächst mal eine Pause von der Arbeit.“
„Das ist eine gute Idee. Warum überraschst du Chad nicht in den USA?“
Jordan schüttelte den Kopf. „Nein, das möchte ich nicht.“
„Du hegst doch nicht etwa plötzlich Zweifel wegen der Hochzeit?“
Jordan schluckte. „Doch, wenn ich ehrlich bin, dann tue ich das.“
„O Jordan“, seufzte Kerry, die ganz betrübt dreinschaute.
„Ja, ich weiß. Ich bin eine Närrin. Vermutlich sogar eine noch größere, als du dir vorstellen kannst.“ Plötzlich spürte Jordan Tränen aufsteigen. Sie musste hier raus, und zwar schnell. Heftig blinzelnd öffnete sie die Schreibtischschublade und nahm ihre Handtasche heraus, die sie zu Beginn des Abends dort verstaut hatte.
Als sie den Blick hob, hatte sie sich so weit wieder unter Kontrolle. „Ich muss nach Hause und mich mal richtig ausschlafen. Wir sehen uns Montag.“
„Pass auf dich auf“, rief Kerry ihr noch nach, als sie bereits aus dem Büro eilte.
Im Fahrstuhl auf dem Weg hinunter begegnete ihr niemand. Die perfekte Gelegenheit für Jordan, den Verlobungsring abzustreifen und in ihre Handtasche zu stecken.
Auf keinen Fall konnte sie Chads Ring tragen, während sie mit Gino zusammen war. Er würde es sowieso nicht zulassen.
Keine zehn Minuten später trat sie durch den Eingang des eleganten Regency. Das Hotel lag nur wenige Blöcke von ihrer Kanzlei entfernt, sodass sie den Weg zu Fuß zurückgelegt hatte. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es erst kurz nach halb elf war. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals.
Rasch eilte sie am Eingang zur Bar und an den Bistros und Boutiquen vorbei zur Rezeption, die sich auf der linken Seite des Foyers befand.
Es war ihr Pech, dass ein Mann dort am Empfang stand. Sie hatte auf eine Frau gehofft.
„Ah, ja … Miss Gray“, säuselte er mit einem wissenden kleinen Lächeln, während er ihr die Keycard reichte. „Mr. Bortelli sagte, dass Sie direkt raufgehen sollen. Es ist unsere Hochzeitssuite mit dem Thema ‚Französisches Bordell‘, zwölfter Stock.“
„Vielen Dank“, erwiderte sie kühl und hoffte dabei, dass ihre Wangen nicht so brennend rot waren, wie sie sich anfühlten.
Die Fahrt hoch zum zwölften Stock kam ihr irgendwie surreal vor. Widersprüchliche Gefühle quälten sie. Ihr Verstand sagte, dass sie auf keinen Fall tun konnte, was sie im Begriff stand zu tun, dass sie umkehren und nach Hause fahren sollte. Doch ihr Körper hatte seine eigenen Vorstellungen vom weiteren Verlauf des Abends.
Ehe sie sich versah, stand sie auch schon vor der Tür mit der Aufschrift Hochzeitssuite Französisches Bordell.
Sollte sie anklopfen oder einfach öffnen?
Sie ballte die rechte Hand zur Faust und klopfte.
Ein paar quälende Sekunden verstrichen, ehe die Tür geöffnet wurde.
Gino stand vor ihr. Seine dunklen Augen funkelten ungeduldig. Er hatte das Jackett ausgezogen und sich der Krawatte entledigt. Der oberste Knopf seines Hemds war geöffnet.
„Du hast dir Zeit gelassen“, beklagte er sich.
„Ich bin zu Fuß gegangen.“
„Was hast du gemacht?“, entgegnete er, griff nach ihrer Hand, zog sie hinein und kickte die Tür mit dem Fuß zu. „Bist du
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