JULIA EXTRA Band 0287
sein Mitarbeiter solle sich nahe dem Eingang platzieren und so lange ein Auge auf Jordan werfen, bis Gino selbst hinuntergekommen war.
Adrenalin rauschte durch seine Adern, als er nach seiner Brieftasche griff und sie in der Innentasche seiner Lederjacke verstaute. Nichts und niemand konnte ihn jetzt noch davon abhalten, zu ihr zu gehen und mit ihr zu reden.
Er war allerdings froh, dass er genug Zeit gehabt hatte, um zu duschen und den eleganten italienischen Anzug abzulegen, den er tagsüber getragen hatte. Legere Kleidung passte besser zu dem Gino, den Jordan einmal gekannt hatte, und nicht zu dem Mann, der er geworden war.
Und wer genau war das, fragte er sich während der Fahrt mit dem Lift nach unten.
Ein Mann, der sich nicht mehr daran erinnern konnte, wie man Spaß hatte.
Ein Mann, dem die Verantwortung gegenüber seiner Familie jegliche Lebensfreude geraubt hatte.
Ein Mann, der einer Frau einen Heiratsantrag machen wollte, die er nicht liebte.
Einer Italienerin.
Wenn er seinem Vater an dessen Sterbebett bloß nicht dieses voreilige Versprechen gegeben hätte!
Doch er hatte es getan, und nun gab es kein Zurück mehr, dachte er düster, während er aus dem Fahrstuhl trat und auf die Bar zuging.
Es handelte sich um einen großen, beinahe quadratischen Raum mit blauem Teppichboden, einer kleinen Tanzfläche samt Discokugel sowie als Herzstück des Ganzen einer riesigen Bar im amerikanischen Stil. Es gab mehrere Sitzgelegenheiten, doch die meisten Gäste saßen in der linken Ecke, wo eine Drei-Mann-Band Soul spielte.
Nur wenige Leute hatten sich nahe dem Eingang niedergelassen, der als Nichtraucherbereich ausgewiesen war.
Gino erkannte den Detektiv ohne Probleme – ein Mann um die dreißig, der ein solches Allerweltsgesicht hatte, dass er in jeder Gruppe unsichtbar werden konnte.
„Sie ist da drüben“, sagte er, sobald sich Gino zu ihm gesetzt hatte, und nickte in Richtung eines Tischs am Rand der Tanzfläche.
Gino blickte durch die feinen Schwaden der Nebelmaschine zu der Frau hinüber, die einst sein Herz gestohlen hatte, und stellte fest, dass er sie vermutlich nicht erkannt hätte, wenn er einfach so an ihr vorbeigegangen wäre! Nicht, wenn sie ihr wundervolles blondes Haar streng zusammengebunden trug wie in diesem Moment und in Kombination mit einem beinahe maskulinen Hosenanzug.
Was war nur mit der äußerst femininen Frau geschehen, die er gekannt hatte?
Sie war auch dünner geworden, ihr Gesicht schmal und blass.
Dennoch war sie immer noch unglaublich schön. Schön und traurig.
Beides berührte ihn tief: ihre Schönheit und ihre Traurigkeit.
„Von jetzt an übernehme ich“, erklärte er dem Detektiv barsch. „Sie können nach Hause gehen.“
„Sind Sie ganz sicher?“
„Absolut.“
Der Mann zuckte kurz die Schultern, leerte sein Bier und ging.
Gino saß eine ganze Weile regungslos da und beobachtete Jordan. Sie blickte wiederholt zu einer Rothaarigen in einem engen Wickelkleid hinüber, die Wange an Wange mit einem attraktiven, groß gewachsenen Mann tanzte. Wahrscheinlich war sie die Arbeitskollegin. Jordan schien nicht besonders glücklich darüber zu sein, dass sie allein am Tisch sitzen musste.
Sobald die Band eine Pause einlegte, kehrte die Rothaarige an den Tisch zurück, begleitet von ihrem Tanzpartner. Nach einem kurzen Wortwechsel mit Jordan verließen sie und der Mann Arm in Arm die Bar.
Als Jordan begann, ihr Glas Wein in ziemlicher Hast zu leeren, ganz offensichtlich in der Absicht, selbst gleich zu gehen, entschied Gino, dass es an der Zeit war, auf sich aufmerksam zu machen.
Die Entfernung von seinem Tisch zu ihrem schien endlos lang; mit jedem Schritt schnürte sich ihm die Brust enger zu. Kurz bevor er ihren Tisch endlich erreichte, stellte Jordan das leere Weinglas ab und bückte sich, um nach ihrer Tasche zu greifen, die auf einem angrenzenden Stuhl lag.
Als er sprach, hatte sie ihm den Rücken zugewandt. „Hallo, Jordan“, sagte er rau.
Sie drehte sich mit einem Ruck um. Ihre wundervollen blauen Augen waren vor Überraschung geweitet.
Nein … nicht Überraschung. Schock.
„O mein Gott!“, rief sie aus. „Gino!“
Schock ja, aber keine Bitterkeit, bemerkte er erleichtert. Kein Hass.
„Ja“, entgegnete er mit einem warmen Lächeln. „Ich bin es, Gino. Darf ich mich setzen? Oder bist du mit jemandem hier?“
„Ja. Nein. Nein, nicht mehr. Ich …“ Jordan verstummte und runzelte die Stirn. „Du hast fast keinen Akzent mehr!“
Wie
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