JULIA EXTRA Band 0287
einem prüfenden Blick berührte er sie am Ellbogen und führte sie ins Speisezimmer, ohne ein Wort zu sagen.
Der Tisch war bereits gedeckt, und Theo stand an der breiten Fensterfront, hinter deren Scheiben die Sterne am lavendelblauen Himmel blinkten. Auch auf dem Wasser entdeckte Rhia Lichter.
„Sind das Schiffe dort draußen?“
„Reporter“, antwortete er abfällig, „gierig nach Sensationsfotos. Näher kommen sie nicht, weil sie wissen, dass wir sie dann anzeigen können.“ Er sprach langsam, als hätte er es mit einem Dummkopf zu tun.
Rhia biss sich auf die Lippe und wandte sich zu Lukas um. „Sind sie dir schon bis hierher gefolgt?“
„Eher Ihnen, würde ich sagen.“ Sein Vater lächelte, aber die Augen blieben kalt. „Nachdem Sie ihnen erzählt haben, dass mein Sohn ein Kind hat.“
Der anklagende Tonfall trieb ihr das Blut in die Wangen. „Das tut mir leid. Ich war verzweifelt und hatte keine Ahnung, dass die Regenbogenpresse so viel Wind darum machen würde.“
„Tatsächlich nicht? Haben Sie noch nie Zeitung gelesen? Meine Familie wurde oft genug erwähnt.“
„So? Ich lese solche Blätter nicht, Mr. Petrakides.“
Er presste die Lippen zusammen und deutete mit einer knappen Kopfbewegung auf den Tisch. „Wollen wir?“
Immerhin war er Gentleman genug, sich erst zu setzen, als sie Platz genommen hatte. Trotzdem gefiel es ihr überhaupt nicht, dass er sie vorschnell verurteilte.
Adeia brachte den ersten Gang – mit Reis und Kräutern gefüllte Weinblätter, dazu ein Schälchen Oliven und einen Teller mit Schafskäse, auf den sie goldgrünes Olivenöl geträufelt hatte.
Es sah köstlich aus, und prompt knurrte Rhia der Magen. Sie merkte erst jetzt, wie hungrig sie war.
Anschließend gab es Moussaka und im Backofen geschmortes Lamm mit würzigem Oregano, das so weich und zart war, dass man es mit der Gabel zerteilen konnte. Es schmeckte wunderbar. Zum Nachtisch servierte die Haushälterin einen üppigen Nusskuchen, mit nach Zimt und Nelken duftendem Sirup getränkt.
Das gelungene Essen half nicht, die gespannte Stimmung bei Tisch zu lockern. Auch seinem Sohn gegenüber verhielt Theo Petrakides sich kurz angebunden. Die wenigen Sätze, die er von sich gab, sagte er langsam, als wähle er die Worte mit Bedacht.
Lukas hingegen blieb äußerlich unbeteiligt, und nur am Ausdruck seiner Augen, oder wenn er die Hand zur Faust ballte, sie wieder öffnete, merkte Rhia, dass er sich nichts anmerken lassen wollte.
Sie fragte sich, welche Geheimnisse sich in dieser Familie verbargen.
Annabels Familie. Furcht kroch in ihr hoch und verstärkte ihre Unsicherheit noch. Sollte sie das Kind diesen Menschen anvertrauen? Ihr Herz sträubte sich dagegen.
Nachdem sie starken Kaffee aus kleinen Tassen getrunken hatten, verabschiedete Theo sich, um ins Bett zu gehen. Steif verließ er den Raum, sodass Rhia mit Lukas allein blieb. Feiner Kaffeeduft hing in der Luft, die Kerzen flackerten leicht.
„Das war ausgezeichnet … vielen Dank.“ Sie tupfte sich die Lippen mit der blütenweißen Stoffserviette ab.
Lukas drehte die Kaffeetasse in den schlanken, gebräunten Fingern, seine Miene war undurchdringlich.
Jetzt blickte er auf, lächelte. Es war, als blitzten Sonnenstrahlen hinter dunklen Gewitterwolken hervor. „Willst du den Abend schon beenden?“
„Es ist spät … Ich bin müde …“ In Wahrheit war sie alles andere als schläfrig. Ihre Sinne waren aufs Äußerste geschärft, ihre Haut prickelte, und sie wusste, dass es gefährlich wäre, in der gedämpften, intimen Atmosphäre des Zimmers zu bleiben.
„Hast du Lust, mit mir am Strand spazieren zu gehen? Wir müssen uns nicht wie Gegner benehmen, Rhia.“
„Ach nein?“ Ihr Lachen kam ein bisschen kläglich heraus. „Du hast leicht reden, Lukas. Du hältst die Trumpfkarten in der Hand.“
„Ich glaube, in einem sind wir uns auf jeden Fall einig“, begann er. „Wir beide wollen das Beste für Annabel.“
„Aber vielleicht sind wir unterschiedlicher Meinung, was das ist.“
Er zuckte mit den Schultern. „Es ist ein schöner Abend, und die Reporter können uns in der Dunkelheit nicht sehen. Du bist seit deiner Ankunft noch nicht an der frischen Luft gewesen, und die Insel ist traumhaft.“
„Ich kann Annabel nicht allein lassen. Wenn sie aufwacht …“
„Adeia wird gern auf sie aufpassen.“
„Gut“, sagte sie zögernd. „Ein paar Minuten …“
Laue Luft empfing sie, und das Meer rauschte leise in der Ferne. Lukas
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