JULIA EXTRA Band 0287
Zeit …“
„Ich werde mich darum kümmern, dass ihr beide alles bekommt, was ihr braucht, während ihr hier seid.“
„Wir brauchen nichts von dir.“ Das kam heftiger heraus als gewollt, da Annabel nach ihrem Ohrring griff und daran zog.
Lukas betrachtete sie von oben bis unten. „Im Gegenteil“, widersprach er ruhig. „Ihr braucht eine ganze Menge. Deswegen bist du doch zu mir gekommen, oder?“
Er deutete eine kurze Verbeugung an und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
„Au!“ Mit Mühe befreite Rhia ihr gequältes Ohrläppchen aus den pummeligen Fingern. „Nicht so doll, mein Schatz.“
Sie ging zum Balkon, öffnete die Türen und trat hinaus. Tief sog sie die frische Meeresluft ein. Lukas schien fest entschlossen, die Verantwortung für Annabel zu tragen. Für sie zu sorgen. Genau das hatte sie gewollt, aber nicht so. Die Kleine sollte nicht in eine Familie geraten, die nur ihre Pflicht tun würde.
Rhia wusste aus eigener Erfahrung, wie ein Kind aufwuchs, wenn die Verantwortung da war, aber die Liebe fehlte. Wieder musste sie schmerzlich erkennen, dass sie sich ein Märchen erträumt hatte. Sie war nach Frankreich, zu Lukas gekommen, um Annabel die Kindheit zu ermöglichen, die ihr versagt worden war. So wie die Dinge lagen, musste sie sich neue Ziele setzen. Jetzt ging es darum, Annabel davor zu bewahren, zu der unbequemen Last zu werden, die Rhia selbst stets für ihre Eltern gewesen war.
Hatte sie anfangs noch geglaubt, sie müsse gehen, damit Annabel glücklich wurde, war sie nun davon überzeugt, dass sie bleiben musste.
„Das Mädchen muss weg.“
Lukas hatte durch das Fenster seines Arbeitszimmers aufs Meer geschaut und seinen Vater nicht kommen hören. Langsam drehte er sich um. Theo Petrakides hatte schneeweißes Haar und tiefe Falten in seinem schmalen Gesicht, aber er war immer noch ein gut aussehender, Respekt einflößender Mann.
Und todkrank.
Die Ärzte hatten Lukas eröffnet, dass seinem Vater nur wenige Monate blieben, in denen er angenehm leben konnte wie bisher. Danach würde es unaufhaltsam bergab gehen. Theo wusste Bescheid und hatte die Hiobsbotschaft mit derselben grimmigen Entschlossenheit aufgenommen, mit der er allen Tragödien in seinem Leben begegnet war.
„Welches?“ Lukas zwang sich, in die Gegenwart zurückzukehren.
„Die Engländerin. Hier bei uns ist kein Platz für sie, Lukas.“
„Sie ist Waliserin und heißt Rhianna. Und sie ist Annabels Vormund.“
Theo zog die Augenbrauen hoch, und Lukas wurde bewusst, wie vertraut er nicht nur von der Kleinen, sondern auch von Rhia gesprochen hatte.
„Im Moment noch, ja. Doch wenn Christos, dieser verdammte Junge, wirklich der Vater des Kindes ist, sind ihre Tage hier gezählt. Du hast gesagt, sie sei keine Verwandte, nur eine Freundin der Mutter. Wir dagegen sind Blutsverwandte, und wir werden unsere Pflicht tun – selbst für Christos’ englischen Bastard.“
„Wirst du das auch dem Kind sagen, wenn es alt genug ist?“
„Dann bin ich nicht mehr da“, entgegnete er schroff. „Ich überlasse dir die zweifelhafte Ehre. Außerdem kann uns niemand vorwerfen, wir hätten nicht großzügig für sie gesorgt.“
„Nein, das wirklich nicht.“ Er konnte den sarkastischen Unterton nicht unterdrücken, und Theo runzelte die Stirn.
„Sag nicht, du hast eine Schwäche für diese Engländerin?“
„Sie kommt aus Wales, und nein, habe ich nicht. Allerdings ziehe ich es grundsätzlich vor, respektvoll über eine Frau zu sprechen.“
„Sie wird alles nur komplizierter machen.“ Theo ging zum Fenster und betrachtete die schaumgekrönten Wellen, die sich an der felsigen Küste brachen. „Falls sie nicht schon eine enge Bindung an das Kind hat, wird sie eine aufbauen, je länger sie mit ihm zusammen ist. Ein aufwendiger Sorgerechtsprozess wäre ein gefundenes Fressen für die Medien. Du hast ja gesehen, was passiert ist, als Gerüchte über deine angebliche Geliebte und das gemeinsame Kind auftauchten.“
„Ich weiß, aber ich glaube, Rhia wird vernünftig sein, wenn wir sie anständig behandeln. Abgesehen davon hat Annabel in ihrem kurzen Leben schon viel durchgemacht, und wir würden keinem von uns einen Gefallen tun, wenn wir Rhia wegschicken, ehe das Kind mit der neuen Situation vertraut ist.“
Theo musterte seinen Sohn eindringlich. „Keinem von uns?“ Er lachte heiser. „Ich verstehe. Gut, wenn du sie haben musst, nimm sie dir. Du warst schon lange nicht mehr mit einer Frau zusammen,
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