JULIA EXTRA Band 0287
Vormund bist, wirst du deine Rechte auf mich übertragen müssen.“
Sie straffte die Schultern. „Wie ich schon sagte, ich bleibe bei ihr. Und ich werde nichts übertragen.“
Lukas seufzte. „Hast du dir das gut überlegt, Rhia? Du redest immer davon, dass du Annabel lieben willst, dass sie Liebe braucht, aber du weißt nicht, was noch dazugehört. Pflichten!“
„Ich …“
„Denn wenn du ihre Mutter sein willst, musst du in Griechenland bleiben, auf Kosten der Petrakides’ leben. Damit werde ich für dich verantwortlich sein … vorausgesetzt, ich bin bereit dazu.“
Ihre Gedanken überschlugen sich. „Niemals“, stieß sie schließlich hervor. „Nie wieder will ich, dass jemand anderes Verantwortung für mich übernimmt!“
„Du hast keine Wahl.“
„Und ob ich sie habe“, widersprach sie aufgewühlt. „Nur weil du ein übersteigertes Pflichtgefühl besitzt, heißt das noch lange nicht, dass ich mich dem anpassen muss! Ich bleibe bei Annabel, aber zu meinen Bedingungen und ohne deiner Familie auf der Tasche zu liegen. Ich werde selbst für mich sorgen, allein leben und unabhängig sein …“ Ihre Stimme verlor sich, als er sie ungläubig ansah.
„Genau das“, sagte er tödlich ernst, „kommt nicht infrage. Glaubst du auch nur eine Sekunde lang, dass du irgendwo Quartier beziehen und mich mit Wochenendbesuchen für Annabel abspeisen kannst? Mein von dir so sehr verabscheutes Pflichtgefühl verlangt eine ganze Menge mehr als das.“
Sie fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar, unfähig, in Ruhe nachzudenken. „Ich könnte ihre Kinderfrau sein …“
„Darüber hast du nicht zu entscheiden.“
„Du kannst mich nicht einfach aus ihrem Leben ausschließen!“
„Ich kann tun, was ich will“, konterte er. „Wenn du vor Gericht verhandeln willst, bitte. Aber ich verspreche dir, dass ein solcher Prozess dich finanziell ruinieren und deinen Ruf beschädigen wird.“
„Könntest du so grausam sein?“, flüsterte sie.
„Ich will das Beste für Annabel. Sie soll in einer stabilen, sicheren Umgebung aufwachsen, und ich bin mir nicht sicher, ob du ins Bild passt.“
Rhia schüttelte den Kopf. „Ich gehe nicht eher, als bis Christos den Vaterschaftstest gemacht hat. Wir brauchen eine Lösung, die für jeden zufriedenstellend ist.“
Lukas nickte knapp. „Gut, wir reden später darüber.“
Sie drehte sich um und öffnete die Tür. Draußen stand Theo, der wahrscheinlich jedes Wort mit angehört hatte. Seltsamerweise machte es ihr nichts aus. Mit einem kurzen Gutenachtgruß wandte sie sich zur Treppe und verschwand nach oben.
Annabel schlief fest, und Rhia streifte die luftige Kleidung ab und schlüpfte in ihr Schlafzeug, ein verwaschenes T-Shirt und Boxershorts. In einer der Schachteln war ein Seidennachthemd gewesen, aber sie mochte es nicht anziehen. Nicht, wenn Lukas es vielleicht ausgesucht hatte.
Lukas. Er verwirrte sie, machte sie wütend. Und gleichzeitig weckte er Sehnsüchte in ihr.
Wünsche, Begehren. Warum ließ Lukas für sich so etwas nicht zu? Was für ein Leben war das, wenn einer sich Vergnügen versagte, etwas, das ihn glücklich machte? Hatte er deshalb zwei Jahre lang keine Frau angerührt?
Wahrscheinlich stand er ziemlich unter Druck. Sie lächelte schief. Wenn hier jemand unter Druck stand, dann ja wohl sie. Ein brennender Blick von Lukas genügte, um sie in Flammen zu setzen. Er brauchte nur auf sie zuzugehen, und sie hatte das Gefühl, dahinzuschmelzen. So etwas war ihr bisher bei keinem Mann passiert.
Nicht dass sie jemals irgendeine Chance genutzt hätte …
Genau wie Lukas hatte sie sich dieses besondere Verlangen nicht erlaubt, aber im Gegensatz zu ihm sehnte sie sich nach Liebe. Echter Liebe.
Rhia betrachtete die Muster, die das Mondlicht auf den Fußboden warf, lauschte Annabels ruhigen Atemzügen und wünschte, sie könnte so entspannt schlafen wie die Kleine.
Ihr Magen knurrte und erinnerte sie daran, dass sie bei Tisch kaum etwas gegessen hatte. Klar, dass sie hungrig war.
Sie stieg aus dem Bett und öffnete leise die Zimmertür. Es musste nach Mitternacht sein. Im Haus war kein Laut zu hören. Sicher hatte niemand etwas dagegen, wenn sie sich ein Stück Brot aus der Küche holte.
Auf Zehenspitzen schlich sie die Treppe hinunter. Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen. Aus einem der Zimmer drang Musik, melancholische und doch bewegend schöne Klänge.
Wie magisch angezogen ging sie zu der Tür, schob sie vorsichtig auf und lugte
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