JULIA EXTRA Band 0287
dahinter.
Lukas saß am Klavier, spielte mit entrückter Miene, während seine langen, schlanken Finger über die Tasten glitten.
Rhia wusste nicht, ob sie ein Geräusch gemacht oder ob die Tür geknarrt hatte. Vielleicht hatte Lukas auch einfach ihre Anwesenheit gespürt, denn er blickte auf. Sein Gesicht wurde ausdruckslos, die Hände verharrten.
„Nicht aufhören … es ist wunderschön.“
„Danke.“
Dieser höfliche, unpersönliche Tonfall war ihr vertraut, und sie hasste ihn. Rhia betrat das Zimmer. „Ich wusste nicht, dass du Klavier spielst.“
„Das wissen die wenigsten.“
Die Musik hatte sie berührt. „Hast du als Kind Unterricht gehabt?“
„Nein.“ Er legte das Filztuch über die Tasten. „Ich habe es mir selbst beigebracht.“
Rhia war sprachlos. Jeder, der so spielen konnte, musste eine natürliche Begabung besitzen, aber dass er es ohne Anleitung gelernt hatte …
„Überrascht dich das?“ Er lachte auf. „Du hast also gedacht, ein kalter, zurückhaltender Mann wie ich wäre nicht in der Lage, schöne Musik zu spielen.“
„Lukas …“ Verlegen erkannte sie ihre Worte von vorhin wieder. „Ich habe mir immer gewünscht, Klavier spielen zu können.“
„Hattest du Unterricht?“
Sie schüttelte den Kopf, weil ihr die Kehle eng wurde. Im Esszimmer ihrer Eltern hatte ein Klavier gestanden, aber niemand hatte es jemals benutzt. Es wurde regelmäßig abgestaubt, doch für Rhia war es immer tabu gewesen.
Er betrachtete sie mit dunklen Augen, rutschte dann auf der Bank ein Stück zur Seite und nahm das Filztuch wieder ab. „Komm her.“
„Wie … bitte?“
Lukas klopfte auf den freien Platz neben sich. „Du bekommst deine erste Stunde.“
Zaghaft ging sie auf ihn zu und setzte sich. Ihre Schenkel berührten sich, und sofort war das Prickeln da, das sie stets in seiner Nähe verspürte.
„So.“ Er legte ihre Hände auf die Tasten, seine sanft darüber. „Das ist ein E.“ Lukas drückte ihren Finger runter. „Und dies ein D.“ Ton für Ton reihte sich aneinander, bis Rhia ein altes Kinderlied erkannte.
„Mary Had A Little Lamb!“
Seine weißen Zähne blitzten, als er zufrieden lächelte. „Mit irgendwas muss man anfangen.“
„Ja …“ Noch immer lagen seine Hände auf ihren, und ihr wurde bewusst, wie dicht sie beieinander waren, ein intimer Moment, der sie mit Sehnsucht erfüllte. Ihr Herz klopfte schneller, Wärme sammelte sich in ihrer Mitte, und sie konnte nur noch fühlen.
„Warum bist du nach unten gekommen?“ Lukas brach den erotischen Zauber.
„Ich hatte Hunger …“
„Dann sollten wir in die Küche gehen.“ Er erhob sich. „Komm.“
Sie folgte ihm in Adeias Reich mit den blitzsauberen Edelstahloberflächen und schimmernden Geräten, zu dem die farbenprächtigen Drucke an den Wänden und der geölte Pinienholztisch einen wundervollen Kontrast bildeten.
Lukas öffnete den Kühlschrank. „Was möchtest du essen?“, fragte er über die Schulter gewandt. „Brot, Salat oder …“ Ein schelmisches Lächeln glitt über sein Gesicht. „… den Nektar der Götter?“
Er hielt ihr die Platte mit einem Stück Baklava hin, dem traditionellen griechischen Kuchen aus Nüssen und Honig. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen.
„Nektar, was sonst?“, sagte sie, und er lächelte, während er ihr eine großzügige Portion abschnitt.
Rhia hatte erwartet, dass er das saftige Gebäck auf einen Teller legen und zusammen mit einer Gabel reichen würde, doch er streckte die Hand aus und hielt es ihr an den Mund.
Herausfordernd, fast verführerisch blickte er sie an, und auf einmal veränderte sich die Atmosphäre im Raum.
Nein, diesmal würde sie sich nicht auf sein Spiel einlassen. Er wollte, dass sie ihm buchstäblich aus der Hand fraß, und genau das würde sie nicht tun! „Danke.“ Sie nahm das Baklava und biss hinein.
Lukas sah ihr zu, gegen den Arbeitstresen gelehnt, folgte er jeder ihrer Bewegungen. Auch als sie sich mit der Zunge über die Lippen fuhr, weil Stückchen der hauchdünnen, honiggetränkten Teigblätter dort klebten. Deshalb sah er auch den Klecks Honig an ihrem Kinn, strich mit dem Daumen darüber und leckte ihn ab. „Süß.“
„Lass es.“
Er hob die Brauen, wartete.
„Lass es“, wiederholte sie heiser, legte den Rest Baklava auf die Platte und wischte sich den Mund ab. „Du willst es doch gar nicht. Du kannst mich nicht mal leiden …“
Verblüfft sah er sie an. „Wie kommst du darauf, dass ich dich nicht mag?“,
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