JULIA EXTRA Band 0287
Christos’ Tochter sein sollte.“
Rhia schluckte, sah zur Seite.
Lukas legte ihr die Hand auf den Arm. „Ich weiß, dass du nicht die idealen Adoptiveltern hattest, aber in diesem Fall ist alles anders.“
„Ach, wie denn?“
„Ich werde für sie sorgen“, begann er.
„Das haben meine Eltern für mich auch getan“, unterbrach sie ihn heftig. „Aber ich will dir eins sagen, Lukas: Pflicht ist eine kalte Mutter. Sie pustet nicht die Schmerzen weg, wenn du hingefallen bist. Sie nimmt dich nicht in die Arme, wenn du nachts aufwachst. Sie sieht nicht unter dem Bett nach, weil du dich vor Monstern fürchtest. Sie gibt dir nicht das Gefühl, geliebt zu sein, und auch nicht die Gewissheit, dass du, egal, was du tust, egal, was passiert, nach Hause kommen kannst, wo dich jemand mit offenen Armen empfängt. Pflicht ist ein harter Vater, nicht zu vergleichen mit Liebe.“ Wie blind starrte sie auf den Sand, gefangen in schmerzlichen Erinnerungen.
Lukas legte die Hand an ihr Kinn, brachte Rhia dazu, ihn anzusehen.
„War dein Vater so zu dir?“, fragte er ruhig. „Deine Mutter?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich mache ihnen keine Vorwürfe, sie haben ihr Bestes getan.“
„Aber es war nicht genug, oder? Und jetzt hast du Angst, dass Annabel genauso unglücklich aufwachsen wird wie du?“
„Habe ich nicht allen Grund dazu? Du hast mir doch gezeigt, was für ein kühler, zurückhaltender Mensch du bist.“
Ein heißer Blick traf sie. „Wirklich?“
Sie riss den Kopf zur Seite. „Ja, so wie du deine Verantwortung für Annabel beschreibst.“
„Ich kann nur versprechen, es richtig zu machen, ihr jede Chance und alle Annehmlichkeiten zu verschaffen, die sie braucht.“
„Das genügt nicht.“
„Muss es aber.“
Lautes Knattern lenkte sie ab. Überrascht entdeckte sie einen Hubschrauber. „Das ist doch nicht die Presse, oder?“ Rhia beschattete ihre Augen mit der Hand.
„Nein, der Helikopter gehört uns.“ Er deutete zum Himmel. „Siehst du die beiden ineinander verschlungenen Ps?“
Jetzt entdeckte sie sie auch, zwei Buchstaben, der eine in lateinischer, der andere in griechischer Schrift. „Was macht ein Petrakides-Hubschrauber hier?“
Lukas griff nach ihrer Hand und zog daran. „Komm und sieh’s dir an“, sagte er lächelnd. Verwundert hob Rhia Annabel hoch und ging mit ihm.
Ein junger Grieche sprang gerade aus der Maschine, und Lukas rief ihm einen Gruß zu. Der Mann grüßte zurück und begann, Schachteln und Pakete auszuladen.
„Die Sachen sind für dich.“ Lukas winkte sie heran, als sie unschlüssig stehen geblieben war.
„Für mich?“
„Ja, für dich und Annabel.“ Er setzte sich Annabel auf die Hüfte, und Rhia öffnete zögernd eine Kiste. Sie war voller Spielzeug in leuchtenden Farben, vieles davon aus weichem, anschmiegsamem Material.
„Das hättest du nicht tun müssen …“
„Doch, natürlich.“
Andere Schachteln enthielten Kinderkleidung, hübsch und praktisch zugleich. Gute Qualität, das sah sie auf den ersten Blick.
„Mach mal dies auf.“ Das leise Lächeln milderte seine kantigen Züge und zauberte ein Leuchten in die dunklen Augen.
Neugierig tat sie, was er sagte.
„Noch mehr Kleidung …“ Allerdings nicht für Annabel. Rhia hielt eine weiße Baumwollbluse hoch, fand eine locker fallende Sommerhose, türkisblau wie das Meer, ein zitronengelbes Kleid mit zierlichen Trägern.
„Lukas, das war wirklich nicht nötig.“ Sie ließ das Kleid sinken.
„Mag sein. Aber mir war danach.“
Die Erklärung kam widerstrebend, deshalb fragte Rhia nach: „Doch es gefällt dir nicht?“
„Nein.“ Der strenge Unterton zerstörte die unbefangene Stimmung, die kurz zwischen ihnen geherrscht hatte.
„Warum nicht?“ Sie klang verunsichert.
„Weil es unglücklich macht, wenn man Wünschen und Begehren nachgibt. Nicht nur dich selbst, sondern auch die, die um dich herum sind“, sagte er hart. „Ich habe mein Leben damit verbracht, das Chaos anderer zu beseitigen und für ihre Fehler zu bezahlen. Fehler, die vermieden worden wären, wenn diese Menschen ihren selbstsüchtigen Wünschen nicht nachgegeben, sondern einfach ihre Pflicht getan hätten. So wie ich, was du ja verachtest.“ Er reichte ihr Annabel. „Ich lasse die Sachen in dein Zimmer bringen. Abendessen wird um halb acht serviert.“
Rhia drückte das Kind an sich, sog tief seinen Babyduft ein. Anscheinend hatte Lukas ihr gerade unerwartet einen Blick hinter die Fassade erlaubt. Mitten
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