JULIA EXTRA Band 0287
für ihn gehabt, und ich auch nicht.“
„Wissen Sie, dass Ihr Großvater sehr krank ist?“
„Ja, meine Mutter erwähnte so etwas. Wen interessiert das schon? Ich sehe den alten Kauz auf seiner Beerdigung und freue mich schon aufs Erbe.“
Rhia war schockiert, blieb aber nach außen hin ruhig. „Warum sind Sie hier, Christos?“
„Tja …“ Er beugte sich vor. „Ich wollte Onkel Lukas ein paar Neuigkeiten erzählen, mal sehen, was er dann für ein Gesicht macht. Er hat immer seine verfluchte Pflicht getan, und diesmal war es nicht mal nötig!“ Christos schlug sich auf den Oberschenkel. „Das wird ihn umbringen.“
Das mulmige Gefühl verstärkte sich. „Wie meinen Sie das?“
Christos ignorierte die Frage. „Ich frage mich, warum Lukas Sie geheiratet hat. Niemand hat ihn zu einer solch drastischen Maßnahme gezwungen. Andererseits glaube ich nicht, dass er es wirklich gewollt hat.“ Er musterte sie unverschämt von oben bis unten.
Rhia hatte genug. „Ich finde, Sie sollten jetzt gehen.“
„Keine Angst, ich verschwinde gleich. Aber erst muss ich Ihnen noch was sagen – bevor ich zu Lukas fahre und es ihm unter die Nase reibe.“ Er zeigte mit dem Daumen auf Annabel. „Sie ist nicht von mir.“
„Wie bitte?“ Das hatte sie nicht erwartet.
„Sie ist nicht von mir“, wiederholte er. „Der Vaterschaftstest war negativ. Wir sind zu neunundneunzig Prozent nicht miteinander verwandt.“
„Aber … Sie haben mit Leanne ein Wochenende verbracht.“
„Stimmt. Doch was heißt das schon? Wir waren schließlich nicht jede Minute zusammen, und offensichtlich hat sie sich noch woanders umgesehen.“
Davon hatte Leanne nichts erzählt. Warum nicht? Weil sie wusste, dass der Mann, den sie für Lukas Petrakides hielt, reich war? Jemand, der für ihre Tochter sorgen würde?
Sie würde es nicht mehr erfahren.
Christos erhob sich. „Tut mir leid für Sie“, sagte er ohne jedes Bedauern. „Was jetzt? Eine schnelle Scheidung, oder bleibt Lukas bei Ihnen, auch wenn’s wehtut? Ich bin gespannt!“
Ihr fehlten die Worte. Annabel wand sich in ihrem Griff, und Rhia ließ sie endlich runter. Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss.
Sie war allein in einem fremden Haus, einer fremden Stadt, mit dem Kind eines Fremden.
Aber Annabel war ihr nicht fremd, im Gegenteil. Rhia betrachtete die Kleine. Sie liebte sie, egal wer der Vater war. Allerdings bezweifelte sie, dass Lukas genauso empfand.
Ein leises Klopfen riss sie aus ihren Gedanken, begleitet von einer fragenden weiblichen Stimme. Rhia drehte sich um und sah eine schmale, grauhaarige Frau mit einem Tablett in den Händen.
„Mr. Stefanos ist gegangen“, sagte sie und lächelte müde. „Aber den Drink können Sie mir geben.“
Es war längst dunkel, als ein Wagen die Auffahrt hochfuhr. Ein endloser Nachmittag lag hinter Rhia, voller Fragen, Ängste und Hoffnungen.
Annabel schlief in ihrem Kindersitz, da es in der Villa kein Kinderbettchen gab. Auch gut, hatte Rhia gedacht, nachdem sie einen Entschluss gefasst hatte. Sie würde es vielleicht gar nicht brauchen.
Die Haustür ging auf, dann hörte Rhia seine vertrauten Schritte.
„Rhia …?“ Lukas kam ins Wohnzimmer, sah sie mitten im Raum stehen. „Was ist das?“ Mit versteinerter Miene zeigte er auf die Koffer zu ihren Füßen.
„Mein Gepäck. Hast du mit Christos gesprochen?“
„Ja.“
„Also weißt du Bescheid.“
„Meinst du, wegen Annabel …“
„Du hast gesagt, sie sieht aus wie eine Petrakides!“, unterbrach sie ihn vorwurfsvoll.
„Vermutlich, weil …“, er fuhr sich durchs Haar, „… ich wollte, dass es so ist.“ Wieder deutete er auf die Koffer. „Warum …?“
„Wenn Annabel nicht Christos’ Tochter ist, seid ihr nicht miteinander verwandt, Lukas. Du bist nicht …“, sie holte tief Luft, „… nicht für sie verantwortlich.“
„Inzwischen schon.“ Er musterte sie. „Und für dich auch.“
„O nein, ich wollte nie, dass du dich meinetwegen zu etwas verpflichtet fühlst.“
„Du bist meine Frau.“
„Wir können uns scheiden lassen.“
„Nein.“
„Nein? Einfach so? Du kannst mir nichts befehlen …“
„Keine Scheidung.“
Was jetzt?
„Dann gehe ich.“
Lukas zog die Brauen hoch. „Mitten in der Nacht? Mit Annabel?“
„Sie schläft in ihrem Kindersitz. Ich werde mir ein Taxi rufen.“
„Du sprichst kein Griechisch.“
„In der Zentrale, die ich angerufen habe, sprechen sie Englisch.“ Sie hob ihr Handy. „Ich brauche nur
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