Julia Extra Band 0292
beschloss Carissa. Hoffen, dass ihr unfreundlicher Ton am Telefon ihn davon abhielt herzukommen. Und wenn nicht? Tiga Falls lag mitten in der Wildnis. Selbst wenn er herausfand, wo genau in Carramer sie war, würde er vielleicht zu der Überzeugung gelangen, dass sich die Reise nicht lohnte.
Geschickt wendete Eduard ein Steak. „Ich habe die Schönheit und Ruhe hier vermisst, während ich bei der Marine war.“
Auch Carissa war sofort bezaubert gewesen. „Das kann ich gut verstehen.“
„Mein Bruder konnte es nicht. Wenn er nicht gerade auf Berge stieg, wollte er schwimmen oder wandern.“
„Du bist auch nicht der Typ, der nur herumsitzt.“
„Stimmt, aber ich muss nicht ständig aktiv sein. Hier genieße ich die Ruhe. Nachts kann man sie hören.“
Carissa wusste, was er meinte. Sie stammte aus Sydney, wo der Großstadtlärm selbst nachts eine ständige Geräuschkulisse bildete. Nach ihrer Ankunft hatte sie über die tiefe Stille auf dem Landsitz gestaunt.
Wie Carissa erwartet hatte, schauderte ihr beim Anblick des Fleischs, das Eduard an den Tisch brachte. Energisch häufte sie sich Salat auf den Teller. Sie hätte wissen sollen, dass sie ohne eine Bemerkung nicht davonkommen würde.
„Wenn du nicht bald etwas Gehaltvolleres isst, fahre ich dich selbst zu dem Arzt in Tricot“, mahnte Eduard.
„Ich bin zu müde, um zu essen.“
„Das erklärt nicht, dass du morgens gleich nach dem Aufstehen auch schon völlig fertig aussiehst. Hast du geglaubt, ich bemerke es nicht?“
Carissa legte die Gabel hin. „Warum meinen Männer immer, sie dürften Frauen sagen, was am besten für sie ist?“
Bevor er antworten konnte, stand sie auf und ging aus dem Licht in den mondbeschienenen Garten. Zweige schwankten im leichten Wind, Jasminduft hing in der Luft. Carissa wusste, dass ihr Problem nicht Eduard, sondern Mark war. Seine Drohung, ihr nach Carramer zu folgen, hatte ihr den ganzen Abend verdorben.
Plötzlich kam ihr ein neuer, entsetzlicher Gedanke. Was, wenn Mark versuchte, das Sorgerecht für das Kind zu erhalten? Als Eigentümerin des Landsitzes hätte sie eine Chance gehabt, einen Prozess gegen ihn zu gewinnen. Jetzt hatte sie keine Wohnung und auch keine Einkünfte, wenn sie nicht mehr für Eduard arbeitete. Und dass sie einem Betrüger zum Opfer gefallen war, ließ sie auch nicht gerade besser dastehen.
Dagegen gelang es Mark, immer wie der erfolgreiche Geschäftsmann zu wirken, ganz gleich, wie schlecht es für ihn lief. Und sie wusste aus eigener Erfahrung, wie charmant er sein konnte.
Beschützend legte Carissa die Hände auf den Bauch. „Niemand wird dich mir wegnehmen“, schwor sie leise. „Irgendwie werde ich es schaffen.“
„Was wirst du schaffen?“, fragte Eduard dicht hinter ihr.
Erschrocken fuhr sie herum. Im Mondlicht konnte sie erkennen, dass er sie besorgt ansah. Einen Moment lang war sie in Versuchung, ihm ihr Herz auszuschütten. Aber es war ihr Problem, und sie musste es lösen.
„Ich habe nur laut gedacht“, sagte sie.
„Du hast hier ein Zuhause, solange du eins brauchst – falls es das ist, was dich beunruhigt.“
„Zu bleiben ist ein sehr verlockender Gedanke.“
„Aber du wirst mein Angebot nicht annehmen.“
„Ich kann nicht. Der Landsitz gehört dir.“
„Das ist kein Grund, ihn nicht miteinander zu teilen. Während er Prinz Henry gehört hat, haben immer irgendwelche Familienmitglieder hier gewohnt. Ich bin nicht daran gewöhnt, das Haus ganz für mich zu haben.“
„Wenn die ersten Hotelgäste eintreffen, wirst du viel Gesellschaft haben. Bestimmt sind alle begeistert, dass ihr Gastgeber ein echter Marquis ist.“
Eduard zuckte die Schultern. „Ich habe nicht vor, eine so aktive Rolle zu spielen. Du würdest eine gute Gastgeberin abgeben.“
„Ich habe mir mein ganzes Leben lang ein richtiges Zuhause gewünscht, aus dem ich nie wieder ausziehen muss.“
„Betrachte dies als dein Zuhause.“ Eduard trat einen Schritt näher.
Ein Hauch seines nach Kiefernadeln duftenden Aftershaves mischte sich mit den Abendgerüchen. Carissa reagierte sofort auf seinen Duft, und es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. „Das ist nicht dasselbe. Kannst du dir vorstellen, wie es ist, immer in Botschaftsimmobilien zu wohnen und zu wissen, dass du nach ein oder zwei Jahren weiterziehst?“
„Nur annähernd, durch meine Erfahrungen bei der Marine. Ich bin so tief in diesem Land verwurzelt, dass ich das Gefühl habe, Carramer ist ein Teil von mir.“
„Das
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