Julia Extra Band 0292
ernst ist es?“
„Die Ärzte halten eine Genesung für ausgeschlossen.“
Schlagartig wurde ihr bewusst, dass Manolo Nicki mit sich nach Spanien nehmen wollte. „Ich lasse nicht zu, dass du sie nach Europa bringst. Außerdem hat sie gar keinen Pass. Herrje, sie kennt dich nicht einmal!“
Was, wenn er sie nicht zurückbringt? Was, wenn sie Kummer oder Heimweh bekommt?
„Natürlich wirst du sie begleiten.“
Shannay sollte an den Ort zurückkehren, an dem sie die glücklichsten und auch die schlimmsten Monate ihres Lebens verbracht hatte? In den Schoß einer Familie heimkehren, die ihre Ablehnung hinter gekünstelter Höflichkeit verbarg? Sich in Manolos Nähe begeben, dem es anscheinend Spaß machte, sie in ein Gefühlschaos zu stürzen? „Du machst Witze!“
Er schüttelte den Kopf. „Es geht ja nur um ein paar Wochen.“
„Nein.“
„Ich habe Ramón mein Wort gegeben.“
„Er weiß von Nicki?“
„Mein Großvater hat … unbeabsichtigt von ihrer Existenz erfahren.“
„Von Pilar“, vermutete Shannay.
Manolos verwitwete Tante war eine sauertöpfische Frau, die es liebte, sich in alles einzumischen und Intrigen anzuzetteln. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, auf welche Weise ihr die Geschichte von Sergios Zufallsbegegnung auf dem Jahrmarkt zu Ohren gekommen war.
Aber es steckte mehr hinter der ganzen Angelegenheit als Ramóns Krankheit, davon war Shannay überzeugt. „Ich bezweifle nicht, dass du die Wahrheit sagst. Aber benutze es bitte nicht als Vorwand.“
„Warum sollte ich das tun?“
„Um mein Mitgefühl zu erwecken und mich von der Hauptsache abzulenken.“ Für einen Moment schwieg sie. „Nämlich von deinem Plan, das Sorgerecht zu bekommen.“ Shannays Miene verhärtete sich. „Oder möchtest du jetzt nicht darüber sprechen? Ist es dir lieber, wenn dein Anwalt meinen Anwalt über deine Absichten informiert?“
Er bewunderte, wie furchtlos sie ihr Kind zu schützen versuchte. Aber er war ihr an Stärke und Entschlossenheit weit überlegen. „Es wird einige Zeit erfordern, eine einvernehmliche Sorgerechtsregelung auszuarbeiten“, erwiderte er. „Wir müssen zunächst unsere jeweiligen Zeitpläne aufeinander abstimmen und vor allem sichergehen, dass unsere Vereinbarungen in Nickis Interesse sind. Ihr Wohlergehen ist doch das Wichtigste, oder nicht?“
„Um ihr Wohlergehen ist es momentan bestens bestellt“, verteidigte sie sich spröde.
„Aber die Umstände haben sich geändert“, wandte Manolo sachlich ein. „Nicki lebt ab sofort nicht länger wie eine Halbwaise. Sie hat jetzt zwei Elternteile. Das Rechtssystem ist angeblich fair. Wenn wir nicht in der Lage sind, eine einvernehmliche Einigung zu erzielen, wird ein Gericht unseren Fall begutachten und das Sorgerecht nach seinem Gutdünken zuweisen.“ Gleichmütig blickte er ihr ins Gesicht. „Glaubst du, dass mir in Anbetracht der Fakten irgendein Richter den Umgang mit meiner Tochter untersagen wird?“
Nein, dachte Shannay. Aber sie war überzeugt, dass sie eine Beschränkung dieses Umgangsrechts auf Australien erwirken konnte. „Wieso habe ich das Gefühl, dass ein ganz anderer Grund hinter all dem steckt?“, fragte sie mit wachsender Unruhe.
„Ein Grund, den du offensichtlich nicht bedacht hast. Nämlich Nickis rechtmäßiges Erbe als legitimes Mitglied der Martinez-Familie.“
Sie reckte das Kinn vor. Ihre Augen blitzten empört. „Und dafür brauchst du einen Vaterschaftsbeweis?“
„Immerhin geht es um ein beträchtliches Vermögen.“
Beträchtlich genug, um aus Nicki ein hoffnungslos verwöhntes, reiches kleines Mädchen zu machen. „Nein.“
„Sie hat ein Anrecht darauf.“
„Soll sie sich nie sicher sein, ob sie um ihrer selbst willen oder nur wegen ihres Reichtums gemocht wird? Soll sie in einem goldenen Käfig leben, ständig von Bodyguards bewacht, und nie eine normale Kindheit in Freiheit genießen können?“
„Nun, Reichtum bringt allerdings gewisse Risiken mit sich. Aber gute Bodyguards sind diskret. Man lernt, mit ihnen zu leben.“
Sie ließ den Blick über die Terrasse schweifen: „Sag bloß nicht, dass deiner ganz in der Nähe sitzt!“
Belustigt zog Manolo einen Mundwinkel hoch. „Am dritten Tisch zu deiner Linken. Groß, dunkles Haar, Sonnenbrille, Jeans und Polohemd. Er heißt Carlos und ist außerdem mein Privatsekretär.“
Ihr war nichts aufgefallen. Sie hatte sich nicht beobachtet gefühlt, nicht das übliche Prickeln im Nacken gespürt. Aber ihr war auch gar
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