Julia Extra Band 0292
nicht die Möglichkeit in den Sinn gekommen. Schließlich führte sie mit ihrer Tochter ein ganz gewöhnliches Leben in Australien. Weit, weit entfernt von Madrid und dem vornehmen Lebensstil der Familie Martinez, für die der Schutz aller Angehörigen einen festen Bestandteil des Alltagslebens bedeutete.
Manolo musterte sie verstohlen und versuchte ihre Stimmung einzuschätzen. „Unterschreib die Einverständniserklärung, Shannay. Beantrage einen Pass für Nicki, und dränge auf Eile wegen einer dringenden Reise nach Übersee.“
Ein eisiger Schauer rann ihr über den Rücken bei dem bloßen Gedanken daran, dass er seine Tochter kurzerhand entführen könnte. Denn sobald ein Pass ausgestellt war, durfte Nicki unabhängig von ihrer Mutter jedes Land bereisen. „Oder was passiert sonst? Zerrst du mich vor Gericht?“
„Warum betrachtest du einen vorübergehenden Aufenthalt in Madrid nicht einfach als günstige Gelegenheit für Nicki, mein Zuhause und ihre Angehörigen kennenzulernen und unter deinem Schutz die Stadt zu erkunden? Und Ramón wird es eine große Freude bereiten, seine Urenkelin zu sehen. Ist das etwa zu viel verlangt?“
„Und wie soll ich Nicki diesen ‚Urlaub‘ erklären? Sie ist klug für ihr Alter. Sie wird Fragen stellen und Antworten erwarten.“
„Was spricht dagegen, ihr Schritt für Schritt die Wahrheit zu sagen?“
„Der typische Vorschlag eines Mannes, der keine Erfahrung mit Kindern hat!“
„Ist es so schwer, zu akzeptieren, dass dieser Vorschlag gewisse Vorteile hat?“
Shannay musterte ihn skeptisch. „Ich bin ganz Ohr.“
„Aber argwöhnisch und voreingenommen.“
Ihre Augen blitzten auf. „Aus gutem Grund.“
„Konzentrieren wir uns doch auf den gegenwärtigen Sachverhalt, okay?“
„Aber ja, unbedingt.“
Manolo wollte nichts lieber, als ihren brennenden Zorn in glühende Leidenschaft verwandeln und ihr mit Händen und Lippen verlangende Seufzer entlocken. Er wollte sie in die gleiche Ekstase versetzen, wie er es einst getan hatte. Um der Herausforderung willen – und auch aus Rache. „Lass Nicki vorerst nur wissen, dass ich ein Verwandter von Ramón bin. Das erklärt hinreichend, warum ich euch begleite, wenn ihr ihn in Madrid besucht.“
„Du glaubst, dass Ramón mitspielt?“
„Ich weiß es.“
„Und Pilar?“
„Sie wird sich meinen Wünschen fügen“, behauptete er kühn.
„Sicher“, murmelte Shannay zynisch.
„Du scheinst zu vergessen, dass ich Pilar ihre monatliche Unterstützung zusichere. Sie wird eine Kürzung nicht riskieren, um ihren extravaganten Lebensstil aufrechterhalten zu können.“
Shannay wusste, dass er seiner Tante ohne Weiteres den Unterhalt kürzen würde, sollte sie sich ihm widersetzen. „Würdest du mir vielleicht erklären, wann Nicki deiner Ansicht nach erfahren soll, dass …“
„… ich ihr Vater bin?“, warf Manolo ein. „Wenn der richtige Moment gekommen ist.“
Und das wird wohl kaum in der kurzen Zeit in Madrid passieren, dachte sie erleichtert. Da sie mit Nicki in einem Hotel und nicht auf dem Anwesen der Familie Martinez wohnen wollte, ergaben sich gewiss nur wenige Berührungspunkte mit Manolo.
Somit blieb viel Zeit, um Nicki die Kultur ihres Vaters näherzubringen, die Umgebung zu erkunden und sich zu amüsieren. Shannay war kurz davor, seinem Vorschlag nachzugeben. Aber vorher mussten noch einige Dinge geklärt werden. „Wo ist der Haken dabei?“
„Wieso glaubst du, dass es einen gibt?“
„Ich habe guten Grund, an deinen Motiven zu zweifeln.“
„Dabei bin ich ganz ehrlich zu dir.“
Sie musterte Manolo argwöhnisch. „Bevor ich in irgendetwas einwillige, verlange ich eine notariell beglaubigte Erklärung von dir, dass die Sorgerechtsregelung für die nächsten zwei Jahre meiner ausdrücklichen Zustimmung bedarf und nach meinem Ermessen verlängerbar ist.“
Seine Miene blieb unverändert gelassen. „Vielleicht kannst du mir einen Hinweis darauf geben, welche Vereinbarungen du als akzeptabel betrachtest?“
„Nicki kann zweimal im Jahr zwei Wochen bei dir verbringen. Dir dagegen steht es frei, sie hier in Perth so oft zu besuchen, wie es deine geschäftlichen Interessen zulassen.“
„Das sind deine Bedingungen?“, fragte er in seidigem Ton.
„Außerdem verlange ich für unsere bevorstehende Reise Hin- und Rückflugtickets für Nicki und mich und eine angemessene Unterkunft für zwei Wochen.“
„Drei.“
„Wie bitte?“
„Drei Wochen. Flugtickets sind überflüssig.
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